Wie ein Magnet – zur Geschichte des Osho UTA, Teil 2
Bodhi Ishu interviewte Ramateertha, den Initiator und langjährigen Leiter des Osho UTA Instituts. In der ersten Folge beschreibt Ramateertha den Moment, als Osho ihm vorschlug, ein Center in Köln aufzubauen und wie sich aus diesem Samen das Kölner Buddhafeld mit seiner großen Vielzahl an Sannyasbetrieben entwickelte.
von Ishu Lohmann
Der Traum von Kommune löst sich auf!
I: Spielte Therapie in den ersten Jahren der Kommune überhaupt eine Rolle?
Rt: Die Therapien spielten schon eine Rolle, aber das Leben der Kommune drehte sich nicht um sie. Es ging vielmehr um die Beziehungen der Leute untereinander, um das Leben dieses Traums von Kommune, inspiriert von Oshos Vision. Und es ging auch um den wirtschaftlichen Erfolg, den unsere Unternehmungen – vor allem die Diskos, Bauunternehmen, Reisebüros, Restaurants, Kioske etc. – hatten.
Allerdings haben wir auch damals regelmäßig Gruppen angeboten. Die Räume für das Institut in der Venloer Str. 5-7 konnten wir 1984 anmieten und haben sie zunächst vollständig umgebaut. Wir konnten damals nur das Hinterhaus mieten. Das Institut war also eines von vielen Unternehmen, wenn es auch das Herzstück darstellte; denn dort fanden die Meditationen, Selbsterfahrungsgruppen und auch die Meetings der Kommune statt.
I: Wie war die Stimmung im Februar 1986, als die Kommune sich auflöste? Ich könnte mir vorstellen, dass es ziemlich dramatisch war
Rt: Die Dramatik fing schon vorher an. Das erste Bild, was mir da kommt, ist Osho in Handschellen und Knastjacke. Und dann natürlich all das, was an kriminellen Machenschaften auf der Ranch zum Vorschein kam. Das war ein heftiger Schock und damit war eigentlich auch das ganze System der Kommune beendet. Das System der totalen Versorgung, der „Mammas“ … Die Kommune war im Grunde wie ein intensiver Retreat, wo man sich bestimmten Themen widmen kann und der ganze Rest um einen herum geregelt wird. Dieser Kokon platzte und auf einmal stiegen die individuellen Ansprüche der Leute. Niemand wollte mehr in einem Dreibettzimmer wohnen. Die Leute wollten mehr Geld und das war nicht finanzierbar. Denn schließlich arbeiteten wir so personal-intensiv, wie es sich kein normaler Betrieb leisten konnte. Und alle wurden – von der Kleidung über das Saubermachen bis hin zu Unterkunft und Essen – vollständig versorgt. Es war dann klar, es würde nicht mehr für alle reichen.
Eigenverantwortung ist angesagt
Rt: Wir hatten dann die Situation, dass noch alle „an der großen Titte hingen“ und gleichzeitig merkten, dort ist nicht mehr genug Platz, worauf jeder zum anderen schielte, wer wohl zuerst gehen würde. Und jeder hatte Angst zu gehen und sich dem Leben zu stellen. Das war dann die Situation, wo ich selber wieder die Autorität ergriff und ein Kommune-Meeting einberief, um zu sagen, dass es so nicht weitergehen könne. Ich war ja selber durch die Ereignisse seit dem Weggang von Sheela schwer angeschlagen. Gleichzeitig bürgte ich persönlich für Gelder in Höhe von 1,3 Millionen DM! Da bin ich wirklich ziemlich ausgefreakt.
Die Betriebe wurden dann alle privatisiert und im Einzelnen von den Leuten im Tausch gegen die Übernahme von Schulden übernommen. Die verschiedenen Mietverträge der Kommune wurden ebenfalls privat übernommen. Jeder übernahm wieder die Verantwortung für sein eigenes Leben. So sind wir plus minus null herausgekommen.
Ich bin dann damals ganz aus Köln weggegangen, war zunächst in Italien und bin dann weiter nach Südamerika gegangen, um Osho zu treffen. Aber dann merkte ich, dass ich doch wieder im Kölner Center arbeiten wollte. Ich fragte also nach, ob ich zurückkommen könne. Das wurde nicht unbedingt mit Begeisterung aufgenommen. Es gab einige, die sagten, wenn der wiederkommt, dann gehe ich.
I: Warum? Weil du die Sheela von Köln warst?
Rt: Na, so nicht unbedingt. Da wurde schon unterschieden. Ich war von den Leuten schon auch sehr geliebt worden. Ich war also nicht der Faschist, der mit Schimpf und Schande vertrieben wurde, aber natürlich war ich Teil vom System, das gescheitert war. Und viele zeigten damals mit dem Finger auf Sheela, ohne sich anzugucken, was sie selber damit zu tun hatten. Ein Stück davon habe ich auch abbekommen.
Das Osho UTA Institut beginnt
Rt: Als ich dann im Spätsommer 1986 wiederkam, war ich erschrocken, denn es war so, als wäre alles stehen geblieben. Alle Stühle standen noch am selben Platz. Nur der Name hatte sich geändert – inzwischen hieß das Center Osho UTA Institut. Es gab eine große Stagnation und entsprechend machte das Center jeden Monat Miese.
Ich habe dann wieder angefangen umzubauen – was ja eine meiner Lieblingstätigkeiten ist – und Sessions zu geben. Und dann kam eines Tages ein Brief von Osho, in dem er den verschiedenen Centern verschiedene Institute zugeordnet hatte: „Institut für Tantra“, „Institut für Bewusstheit“ usw. Für Köln stand „Osho UTA Institut für spirituelle Therapie – Direktor Ramateertha“. Mir war das eher peinlich, denn ich hatte damals überhaupt keine Leitungsambitionen und war eher wie ein Gastarbeiter. Jeder Auseinandersetzung ging ich aus dem Weg. Das hatte viel damit zu tun, dass ich mich für manche Sachen, die in der Kommune passiert waren, schuldig fühlte.
I: Hatte Osho denn eigentlich verfolgt, was in der Zwischenzeit in Köln passiert war? Gab es persönliche Kontakte?
Rt: Osho wusste immer recht gut Bescheid, was in Köln passierte, denn viele Leute, die nahe um ihn herum waren, kamen aus Köln. Zumal Köln auch schon damals das größte europäische Center war und hier die Osho Times und der Verlag gemacht wurden und viele andere Dinge passierten. Wir hatten damals erhebliche Spannungen im Team und die Lage im Center war alles andere als erbaulich.
Ein persönliches Interview mit Osho und ein energetischer Schub
Rt: Ich fuhr dann im November 1986 nach Bombay, als Osho dort gelandet war. Osho lud mich zu einem persönlichen Interview und fragte mich, wie es mir ginge. Ich sagte, es liefe alles ganz gut, nur wäre ich etwas unsicher, ob ich weiter in Köln bleibe solle. Ich sei schon so lange dort und außerdem sei ich auch etwas müde. Das war das Stichwort.
Kaum war das Wort „müde“ ausgesprochen, da richtete er sich in seinem Stuhl auf wie eine Kobra, die Augen weit aufgerissen und sagte: „Tired? No, you are not tired. And remember you are with a man who is not tired. Who will never be tired. („Müde? Nein, du bist nicht müde. Vergiss nicht: Du bist mit einem Mann, der nicht müde ist. Der niemals müde sein wird.“)“ Das kam mit so einem Feuer, dass ich richtig erschrak und nur noch sagen wollte: „Ja, ja, ist ja schon gut …“ In dem Moment war völlig klar, ich gehe zurück und fange wieder an zu arbeiten. Das war wie ein energetischer Schub. Ich wachte aus diesem ganzen Schuldkomplex auf und etwas Neues und Lebendiges war da. Er hat mir das dann auch noch einmal erklärt und sagte schließlich: „You go back there and start your work … („Geh jetzt dorthin zurück und fang mit deiner Arbeit an!“)“
Ich ging dann zurück, übernahm wieder Verantwortung und wurde erneut Leiter des Centers.
Die alte Denkweise verändert sich
I: Wie hat sich die Sannyas-Szene damals nach Auflösung der Kommune verändert?
Rt: Das war ein ganz interessanter Prozess. Wir lebten nicht mehr in der Kommune, aber wir dachten noch in einer kommunalen Struktur. Zum Beispiel: „Jeder muss das gleiche Geld verdienen!“ Das lähmte aber auch jede Initiative. Einerseits gab es die Therapeuten, die gutes Geld verdienten. Andererseits das UTA, das zwar einen bestimmten Anteil bekam, der aber von unserem ganzen Kostenapparat mit Gehältern, Cleaning, Umbaukosten verschlungen wurde. Es blieb nichts übrig. Es funktionierte nur deshalb, weil die Gehälter der Leute gering waren. In der Entwicklung war es dann aber so, dass die Leute merkten: Oh, man kann draußen mehr Geld verdienen. Das heißt, es gingen viele Leute, die unternehmerischen Geist hatten, und es blieben die zurück, die vielleicht sehr devoted waren, aber das waren nicht unbedingt die, die einen Laden nach vorne bringen konnten. Es ist nun einmal so, dass devotion – eine feminine Qualität – in dieser Gesellschaft wenig Achtung findet.
I: Was bedeutete es für das UTA, als Osho seinen Körper verließ?
Rt: Das war sicher ein ganz entscheidender Wendepunkt. Die Zeit bis dahin war eigentlich von einem ständigen Konflikt geprägt. Einerseits wollten wir alle in der physischen Nähe des Meisters sein; andererseits wollten wir das Institut am Leben erhalten. Das waren zwei Dinge, die sich nicht wirklich vereinbaren ließen. Das heißt, man steckte seine ganze Energie in das UTA und verdiente auch Geld, weil es wieder anfing zu laufen, und dann reiste man mit dem Geld für 3 – 4 Monate nach Pune, um in der Nähe des Meisters zu sein. In dieser Zeit brach das Center fast jedes Mal lebensbedrohlich ein und man konnte wieder von vorne anfangen. Für mich war das eine ganz schwierige Situation, denn es war jedes Mal wie ein Schmerz, wenn ich von Osho wegging. Ich wollte in seiner physischen Präsenz sein, genauso wie ein frisch Verliebter, der natürlich bei seiner Geliebten sein will und für den im Grunde nichts anderes zählt. Ich habe diese Spannung nicht ausgehalten und bin dann 1988 aus der Organisation des Centers ausgestiegen. Ich war dann nur noch als Therapeut tätig, und dadurch, dass ich nicht mehr in der Crew war, wurde ich auch wie ein Therapeut bezahlt. Das heißt, ich verdiente viel mehr Geld. Dieses Geld habe ich zurückgelegt, um nach Pune zu gehen. Dort hatte ich eine fantastische Zeit. Ich habe da auch viel als Therapeut gearbeitet, aber vor allem war ich in der Nähe des Meisters. Obwohl ich versuchte, es mir vom Leibe zu halten, bekam ich am Rande doch mit, was in Köln lief. Ich wusste: Wenn es auf diese Zersplitterung hinauslaufen sollte, wäre das der Anfang vom Ende. Ich saß da und überlegte: Bleiben oder Zurückgehen? Ich wusste absolut nicht, was ich tun sollte. Da sagte mir jemand: Warum schreibst du Osho nicht einen Brief? Dann habe ich ihm das geschrieben und Anando, Oshos Sekretärin, las ihm meinen Brief vor. Osho fragte sie dann: „Was will er denn?“ „Für ihn ist beides okay,“ sagte Anando. Worauf er mir die Message gab: „Go back there and keep the center strong and keep coming and going.“ („Fahr wieder hin und erhalte das Center stark und pendele in Zukunft hin und her.“)
Also ging ich zurück.
Die dramatische Wende
Rt: Innerhalb der nächsten zwei Jahre wuchs mein Verlangen in der Nähe des Meisters zu sein, so stark, dass ich mir im Herbst 89 überlegte, „für immer“ nach Pune zu gehen. Dann kam im Januar 1990 die Nachricht von Oshos Tod. Das war eine ganz dramatische Wende. Ich bin dann sofort nach Pune geflogen und besuchte zum ersten Mal den Samadhi. Das war eine sehr überraschende Erfahrung für mich, denn ich war überhaupt nicht traurig. Für mich passierte etwas ganz anderes: Dieses ungeheure Verlangen, in seiner Nähe sein zu wollen, war auf einmal weg. Ich spürte: Es gibt jetzt keine räumliche Begrenzung mehr, Osho ist überall. Das war für mich eine riesige Befreiung, ein ekstatisches Gefühl. Ich wusste, jetzt kann ich sein, wo ich sein will und es macht keinen Unterschied mehr. Da wusste ich, jetzt kann ich auch nach Köln zurückgehen. Und mit dieser Energie habe ich mich dann ganz neu für das Center engagiert. Und dann änderte sich auch das Center drastisch und dramatisch.
I: Was waren die nächsten Änderungen?
Rt: Die erste Änderung war die White Robe Meditation, die wir seitdem jeden Abend um 19.00 Uhr anbieten. Hinzu kam eine wichtige energetische Änderung. Der Zwiespalt: Ich arbeite hier, will aber eigentlich in Pune beim Meister sein, war verschwunden. Das heißt, wir konnten uns ganz anders auf diesen Platz einlassen.
Das Buddhafeld expandiert
Rt: Und dann kam eine wichtige äußere Veränderung hinzu. Genau zu diesem Zeitpunkt schloss nämlich die Wäscherei, die vorne an der Venloer Straße 5 - 7 lag, dort, wo heute Osho´s Place ist. Das Institut war bis dahin ja nur in den hinteren Räumen gewesen und jetzt bekamen wir auch ein Schaufenster zur Straße. Damit stellte sich die Frage, was wir nun damit machen. Für mich war klar, dass da ein Restaurant hin sollte, eine Mischung aus Kantine und Cafe – für die Gruppenteilnehmer, für uns und für Leute von außen. Andere wollten, dass da ein Buchladen entsteht. Es ging ziemlich hin und her, aber schließlich setzte sich die Idee des Restaurants durch. Es war dann eine der intensivsten Baustellen, die ich je hatte. Oshos Place zu bauen war schwieriger und energetisch aufwändiger als die große Disko.
Zorba und Buddha treffen sich
I: Wie hat sich die Eröffnung von Osho´s Place auf das UTA ausgewirkt?
Rt: Rückblickend kann ich sagen, dass das ein Durchbruch war. Zu der stillen Insel, die das UTA darstellte – dem Buddha – kam jetzt der Zorba hinzu. Und die beiden ergänzten sich auf eine geniale Art und Weise. Plötzlich gab es wieder einen Treffpunkt, wo man nicht nur hinkam, um zu meditieren oder sich dem spirituellen Leben zu widmen, sondern wir hatten ein Schaufenster zur Straße. Der Zorba-Teil hatte wieder eine Wurzel. Osho´s Place schuf den Boden, auf dem das UTA wachsen konnte. Denn jetzt konnte sich das UTA ganz auf seine Aufgaben – Meditation, Therapie und Begegnung – besinnen. Das war möglich, da sich Osho´s Place um das Essen und die praktische Versorgung kümmerte. Dieses Cafe / Restaurant wurde schnell ein sehr lebendiger Teil des Ganzen. Hier treffen sich die Leute nach den Meditationen, verbringen Zeit zusammen. Und viele unserer Geschäftspartner kommen mittags zum Essen. Die Lebendigkeit, die hier entstand, wirkte sich schlagartig auf das gesamte Buddhafeld aus.
Neue Kraft entsteht
Rt: Weil die ganze Energie in die Baustelle geflossen war, war das UTA im Grunde ziemlich am Ende, als wir Oshos Place aufmachten. Viele hatten das UTA verlassen und waren nach Pune gefahren. Es war, als hätte eine Mutter ein Kind gekriegt, das sie eigentlich nicht mehr hätte kriegen dürfen. Dann aber kam die ganze Energie wieder zurück.
I: Wie entwickelte sich in den Jahren nach Oshos Tod das Verhältnis zum Ashram in Pune?
Rt: Durch das Entstehen von Oshos Place und der Tatsache, dass der Zorba wieder neues Leben bekam, entstand eine neue Kraft. Gleichzeitig setzte eine Entwicklung ein, mit der wir uns innerlich von Pune loslösten. Das hatte damit zu tun, dass wir hier mehr und mehr begriffen: Wir müssen uns auf das besinnen, was für uns hier stimmt. Wir müssen mit unserer Intelligenz und unseren Fähigkeiten auf die Situation antworten, die wir hier vorfinden. Das können uns nicht Leute abnehmen, die in Indien in einer völlig anderen Situation leben. Nimm als Beispiel den Aids-Test, mit dem wir uns jahrelang herumgeschlagen haben. Ich halte den Aids-Test für die Kommune in Pune immer noch für absolut angebracht, weil die Situation in Indien eine völlig andere ist.
Wir im UTA haben uns immer wieder gefragt, stimmt das hier eigentlich noch? Und dann haben wir an einem bestimmten Punkt gesehen, dass es für uns nicht mehr stimmt, für sämtliche Aktivitäten, die wir anbieten, einen Aids-Test zu verlangen. Das war ein schwieriger Prozess, denn wir mussten uns von Vorschlägen lösen, die zum Teil ja auch von Osho selbst in einer anderen Zeit gemacht wurden. Wir mussten einfach sehen: Das hat mal eine sinnvolle Funktion gehabt, aber jetzt wendet es sich gegen uns. So wie Osho auch irgendwann die rote Kleidung abgeschafft hat und in etwa gesagt hat: „Das hat mal eine Funktion gehabt, aber jetzt wendet es sich gegen euch, dass ihr die roten Klamotten tragt, also zieht sie aus!“ Wir waren also – mitbedingt durch die zum Teil sehr unterschiedlichen Vorstellungen von Pune und Köln – gezwungen, uns wirklich auf uns selber zurückzubesinnen. Jeden einzelnen Schritt zu prüfen: Was stimmt für uns? Wie wollen wir hier mit unserer Energie und unserem Verständnis von Osho umgehen und wie wollen wir diese Energie ins Leben bringen? Das war eine große Herausforderung, aber dadurch ist auch eine ganz neue Lebendigkeit entstanden.