Revolution ist ein Nein, Rebellion ist ein Ja.
Frage an Osho:
Osho, wie kann Rebellion rezeptiv sein – empfänglich, weiblich, Ja sagend? Sie fühlt sich eher an wie ein Nein zu all dem altmodischen Zeug. Kommt es im Grunde nur auf Bewusstheit und Liebe an?
Osho:
Revolution ist ein Nein, Rebellion ist ein Ja. Revolution ist negativ, Rebellion ist positiv. Revolution sagt Nein zu allem, was verkehrt ist und nicht sein sollte. Rebellion sagt Ja zu allem, was schön und gut ist. Revolution ist auf die Vergangenheit gerichtet, Rebellion richtet sich auf die Zukunft. Sie bedeuten nicht dasselbe.
Revolution ist destruktiv, Rebellion ist kreativ. Revolution kann niemals weiblich und empfänglich sein und Ja sagen. Das ist unmöglich. Aber Rebellion ist stets weiblich, stets empfänglich und sagt stets Ja.
Das, wovon ich rede, ist Rebellion, nicht Revolution. Revolution ist politisch, Rebellion ist spirituell. Revolution ist etwas für die Masse, Rebellion ist etwas für den Einzelnen. Du kannst ein Rebell sein ohne irgendwen bei dir zu haben – als Rebell kannst du auf dich selbst gestellt sein. Aber du kannst auf dich selbst gestellt kein Revolutionär sein; dazu wirst du eine große Organisation brauchen; du wirst eine große Armee hinter dir brauchen.
Und das Problem ist … und das muss man wirklich verstanden haben! Nämlich, dass du, wenn du jemanden bekämpfst, nach und nach wie dein Feind wirst. Das ist unvermeidlich; das ergibt sich aus einem bestimmten Naturgesetz. Denn wenn du gegen jemanden kämpfst, musst du deinem Feind ebenbürtig sein, andernfalls wirst du ihn nicht bekämpfen können. Suche dir deinen Feind also sehr sorgfältig aus. Deine Freunde kannst du dir ziemlich sorglos aussuchen, die haben weniger Einfluss auf dich; aber wer deine Feinde sind, ist absolut entscheidend!
Alle Revolutionen scheitern an ihrem Feind. Der Feind bestimmt alles. Die russischen Zaren haben die Struktur der kommunistischen Partei bestimmt, die Zaren haben bestimmt, wie Josef Stalin beschaffen sein würde. Und er entpuppte sich als ein größerer Zar als alle anderen Zaren; und er entpuppte sich als noch schrecklicher als Iwan der Schreckliche.
Indem sie den Zaren bekämpften, indem sie die imperialistische Struktur des Zaren bekämpften, übernahmen sie diese Struktur insgesamte, mit allen Taktiken. Als sie schließlich an die Macht kamen, hatte der Zar, hatte ihr Feind sie nach Strich und Faden gestriegelt und gebügelt. Als sie schließlich die Macht hatten, sprangen sie mit ihren Feinden genauso um, wie der Zar mit ihnen umgesprungen war.
Dasselbe könnt ihr überall auf der Welt beobachten, wieder und wieder. Zurzeit findet es im Iran statt. Der Schah ist weg vom Fenster und ein viel schlimmeres Regime ist an seine Stelle getreten: Khomeini erweist sich als zehn Mal blutrünstiger als selbst der Schah. Khomeini hat seine ganze Strategie dem Schah abgeguckt; sein ganzes Leben lang hat er gelitten und gekämpft. Das war die einzige Schule gewesen, die er je hatte. Jetzt zeigt er, dass er es genauso kann, dass er den Schah sogar noch übertreffen kann. Heute werden Tag für Tag die Menschen dort zu Hunderten hingerichtet, umgebracht.
So ist es seit jeher gewesen: Die Revolutionen scheitern, weil sie Reaktionen sind. Sei niemals ein Revolutionär – sei ein Rebell! Ein Rebell ist nicht gegen die Vergangenheit. So viel ist ihm die Vergangenheit gar nicht erst wert. Denn gegen etwas sein heißt, dass du in dessen Bann stehst; gegen etwas sein heißt, dass du dem zu viel Beachtung schenkst. Gegen etwas sein heißt, dass du davon hypnotisiert bist.
Die einen sind dafür – sie sind hypnotisiert. Die anderen sind dagegen – sie sind hypnotisiert. Ein Rebell ist, wer einfach das ganze sinnlose Spiel durchschaut und es fallen lässt ohne zu kämpfen. Was du bekämpfst, daran musst du dich klammern; es wird dich definieren. Lass dich nicht von der Vergangenheit definieren! Entschlüpfe ihr einfach, so wie eine Schlange aus ihrer alten Haut schlüpft. Und dreh dich noch nicht einmal um… Das ist die Art des Rebellen.
Ich lehre den Weg des Rebellen. Das ist der Weg der Religion: Religion ist Rebellion, nicht Revolution. Und sie hat unendliche Hochachtung vor dem Einzelnen. Jeder kann auf seine eigene Weise Rebell sein: Streife einfach nur die Vergangenheit ab. Mit ihr zu kämpfen ist nicht nötig – sie ist nicht mehr da! Und wenn du dich mit ihr anlegst … ein so langes Leben hast du nicht zur Verfügung. Die Vergangenheit war sehr lang, Jahrmillionen lang! Wie willst du gegen sie ankommen in einem Leben, das allerhöchstens siebzig oder achtzig Jahre lang währt? In einer so kurzen Lebensspanne, wie willst du da gegen die Vergangenheit kämpfen, die so riesig, so ungeheuer groß ist? Der einzig kluge Weg ist, sich ihr zu entziehen. Man braucht nicht mit ihr zu kämpfen.
Und dies muss man begreifen, es gilt für viele Ebenen.
Im Politischen kämpfen die Leute gegen die Vergangenheit – egal ob sie nun hinduistisch, christlich oder mohammedanisch ist. Und in ihrem Kampf gegen die Vergangenheit werden sie selber so wie die Vergangenheit, die sie bekämpfen. Im Psychologischen kämpfen die Leute seit Sigmund Freud gegen ihre eigene, persönliche Geschichte, ihre Kindheitstraumata. Auch das ist ein weites Feld und wenn du dich da um jedes Detail kümmern willst und alles bekämpfen willst und alles zurechtrücken willst, geht darüber deine gesamte Gegenwart und Zukunft drauf. Die Vergangenheit ist bereits hin und jetzt geht dir in der Psychoanalyse deine ganze Gegenwart drauf, und die ganze Zukunft lang wirst du nur kämpfen, deine Geschichte bekämpfen. Und die eigene Geschichte bekämpfen heißt gegen einen Schatten kämpfen – du kannst nicht gewinnen. Wie willst du gegen einen Schatten gewinnen? Es gibt ihn ja überhaupt nicht! Du brauchst also nur zu erkennen, dass es sich um einen Schatten handelt – und basta!
Das ist der entscheidende Unterschied zwischen der psychologischen und der religiösen Lebenseinstellung. Die Religion sagt einfach: „Sei meditativer, sei bewusster. Sei jetzt im Moment hier!“ Und genau in dieser Bewusstheit, in diesem kristallklaren Bewusstsein, erkennst du, dass die Vergangenheit eine überflüssige Last ist – du brauchst dich nicht mit ihr abzuschleppen. Wenn du sie mitschleppst, dann tust du’s freiwillig. Das musst du selber entscheiden.
Deine Eltern zwingen dich nicht mehr dazu … das ist bereits vergangen! Das sind nur noch Nebelschwaden. Erkenne, dass das Schatten sind und du bist frei. In diesem Erkennen liegt deine Freiheit. Mit diesem Erkennen kommt deine Befreiung. Und dann stehen dir all deine Energien hier und jetzt zur Verfügung. Dann kannst du aufblühen! Dann stehst du in Blüte, dann kann dein Leben in Erfüllung gehen, zu Freude und Jubel werden. Revolution ist immer gegen die Vergangenheit und für die Zukunft. Beides existiert nicht. Die Vergangenheit ist nicht mehr und die Zukunft ist noch nicht. Und Revolution kennt nur Vergangenheit und Zukunft – ist gegen das Vergangene und für irgendeine zukünftige Utopie. Das Wort „Utopie“ ist sehr schön; es bedeutet: „Ein Ort, den es nirgendwo gibt“.
Rebellion kennt die Gegenwart und nur die Gegenwart. Sie hat nichts mit der Vergangenheit zu schaffen und nichts mit der Zukunft zu schaffen. Sie liebt, sie lebt, tanzt und singt, aber ihre Zeit ist jetzt.
Und dann kannst du auch weiblich sein, und dann kannst du empfänglich sein, und dann kann du Ja sagen!
Aus: OSHO: The Fish in the Sea is not Thirsty