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Diskurse

Die Dinge, die im Leben wirklich etwas bedeuten, lassen sich nie in Worte fassen

von Osho

Frage: Wie oft möchte ich dir Dankeschön sagen – aber irgendwie kommt es durch Schweigen so viel besser zum Ausdruck als durch Worte.

Osho: 

Die Dinge, die im Leben wirklich etwas bedeuten, lassen sich nie in Worte fassen; nur Schweigen vermag sie zu kommunizieren. Wörter sind zweckgerichtet, sie gehören dem Marktplatz an; darum wirst du, wenn du wirklich etwas sagen willst, das dir aus dem Herzen kommt, es immer unsagbar finden. Liebe lässt sich nicht aussprechen, über Dankbarkeit darf man kein Wort verlieren; das Beten ist zwangsläufig nur ein tiefes inneres Schweigen. Und es ist fundamental wichtig, dies zu verstehen. Denn wir wurden durch Worte erzogen, mit der Vorstellung, dass sich alles sagen lasse – und so versuchen wir es zu sagen. Doch indem wir das Unsagbare auszusprechen versuchen, verfälschen wir es. Laotse sagt: „Das Tao ist nicht zu benennen; wer es benennt, hat es bereits verfälscht.“ Die Wahrheit lässt sich nicht mitteilen, kein Wort reicht hin, ist groß genug, sie zu enthalten. Sie ist so riesig … riesiger als der Himmel – und Wörter sind so winzig! Sie taugen für die alltäglichen Dinge, praktische Zwecke. Je mehr man sich dem Zweckfreien nähert, desto mehr muss man alle Worte hinter sich lassen. Genau das heißt Religion: Das Transzendieren der Welt, die den Wörtern gehört. Unser Denken besteht aus Wörtern; unser Herz besteht nur aus Stille, tiefster Stille, unberührter Stille, ungebrochener Stille. Nichts hat sich dort, in der innersten Mitte deines Seins, jemals auch nur geregt.

 

Fühl dich gesegnet, dass sich in dir etwas meldet, auf das Wörter nicht mehr zuzutreffen scheinen. Dies ist andächtiges Gebet. Das, was die Leute in den Kirchen, den Tempeln beten, sind keine Gebete; damit bringen sie nur ihre Wünsche zum Ausdruck. Und ehe sie diese dumme Art zu beten nicht eingestellt haben, werden sie nie vom wahren Nektar des Betens kosten. Sie werden keinerlei Ahnung vom Transzendenten haben. Die Wörter mögen christlich sein oder hinduistisch, mohammedanisch, buddhistisch; Schweigen ist einfach nur Schweigen. Das Schweigen kann man weder christlich noch hinduistisch noch mohammedanisch nennen. Es ist undefinierbar. Kein Beiwort kann es schmücken.

 

Das Schweigen ist religiös. Eure sogenannten Gebete sind nichts weiter, als Gott um die Erfüllung eurer Wünsche anzubetteln. Sie sind nicht der Dank für alles, was euch bereits zuteil wurde; vielmehr sind sie Klagen. In eurem Gebet beklagt ihr euch, warum ihr nicht noch mehr bekommen habt. Wünschen heißt sich beschweren, Wünschen heißt, den Hals nicht voll zu kriegen… dass es nicht reicht, dass du unfair zu mir warst, dass das nicht gerecht von dir ist: Andere haben viel mehr gekriegt! Beten im wahrsten Sinne heißt Dankbarkeit – grenzenloser Dank für alles, was dir zuteil wurde, auch wenn es unaussprechbar ist. Du brauchst es nicht auszusprechen. Ludwig Wittgenstein, einer der bedeutendsten Philosophen unserer Zeit, hat gesagt: „Das, was nicht gesagt werden kann, darf man nicht sagen; denn sonst profaniert man es.“ Es aussprechen heißt, ihm Gewalt anzutun. Indem man es ausspricht, zerstört man es. Wittgenstein ist nicht nur Philosoph, sondern bewegt sich genau auf der Grenze zwischen Philosophie und Mystik – und ist somit einer der missverstandensten Denker unseres Zeitalters, einer der tiefgründigsten und missverstandensten. Das ist das Schicksal aller, die sich zutiefst auf ihre eigene Erfahrung verlassen. Nun, was er sagt, bewegt sich jenseits der Philosophie, es berührt das Religiöse.

Du sagst: Wie oft möchte ich dir Dankeschön sagen … Du brauchst es nicht auszusprechen. Wann immer du so empfindest, wird es gehört. Sprächst du es aus, würdest du nur das Schöne daran zerstören. Belasse es bei einer Kommunion von Herz zu Herz. Nicht nötig, daraus eine Kommunikation vom einen Kopf zum anderen zu machen. Kommunikation findet zwischen zwei Köpfen statt; Kommunion dagegen zwischen zwei Herzen. Kommunion heißt Liebe; Kommunikation heißt über die Liebe. Und vergiss nicht: Wer über Gott redet, dem ist Gott völlig egal. Über Feuer zu reden ist nicht dasselbe wie Feuer zu sein. Feuer braucht nicht besprochen zu werden; es muss erkannt, erfahren werden. Dankeschön, Dankbarkeit, Erfüllung, Liebe … die gehören zu einer völlig anderen Ebene deines Daseins. Die haben nichts mit dem Kopf zu tun. Die haben alle mit dem Herzen zu tun. Und es gibt noch eine tiefere Ebene als das Herz.

Es gibt drei Ebenen. Die erste – und die oberflächlichste – ist der Kopf. Die zweite, tiefer als der Kopf, aber noch nicht die tiefste in dir, ist das Herz. Dein Gefühl drängt dich, es auszusprechen, aber gleichzeitig spürst du, dass es nicht ausgesprochen gehört. Und die dritte ist die Ebene deines Seins. Die möchtest du nicht einmal aussprechen; du wirst dazu. Dein ganzes Sein wird zur Dankbarkeit. Dir ist nicht einmal mehr danach sie auszusprechen oder nicht auszusprechen. Das Gefühl,  sie aussprechen zu wollen, es aber gar nicht zu können … selbst das liegt schon weit hinter dir: Du bestehst nur noch aus Dankbarkeit: Jetzt bedarf es da keiner Worte mehr. Wenn ein Rosenstrauch voll erblüht ist, braucht er das der Welt nicht mitzuteilen, braucht er der Welt nicht zu erklären: „Ich bin schön!“ Er ist schön.

Die Leute leben im Kopf. Der erste Sprung führt aus dem Kopf ins Herz. Das ist ein Riesensprung; mit ihm beginnt die große Pilgerreise. Die wird dich auf den zweiten und letzten Sprung vorbereiten – aus dem Herzen ins Sein. Das Herz steht genau dazwischen. Daher rührt dein Wunsch, es auszusprechen und auch deine Unfähigkeit es tatsächlich zu tun. Der Wunsch es auszusprechen kommt von der dem Kopf zugewandten Seite des Herzens und die Unfähigkeit es zu tun kommt von der dem Sein zugewandten Seite des Herzens. Das Herz ist eine Brücke zwischen beiden: Die eine Hälfte gehört zum Kopf, die andere zum Sein. Daher das Dilemma, daher die Zwiespältigkeit. Geh von hier aus weiter zum Sein, dann verfliegt das ganze Dilemma und du wirst zu Dankbarkeit. Du erblühst als Dankbarkeit. Du bist sie von Kopf bis Fuß: in deinen Augen, in deinem Gesicht, in deinem Gang … bis hinein in die Art wie du atmest erscheint sie, bis hinein in dein innerstes Herzpochen. Jetzt ist weder der Wunsch mehr da, es auszusprechen, noch die Unfähigkeit, es zu tun. Die Reise zu Gott hat nur zwei Schritte. In nur zwei Schritten ist die ganze Reise vollzogen. Du hast den ersten Schritt gewagt, wage nun auch den zweiten.

 

Aus: Tao, The Golden Gate, Vol.2

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