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Diskurse

Das erste Indiz für ein richtiges, positives Nichts ist, dass es paradox sein wird.

von Osho

Frage:

„Wenn ich wissen will, wer ich bin, empfinde ich mich oft in einem Zustand des Nichts. Einerseits erschreckt mich das, andererseits fühlt es sich erfüllend an. Ich empfinde sowohl alles wie nichts. Was von beidem ist richtig? Und wo liegt der Unterschied zwischen einem Vakuum – jenem Zustand ohne jede Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft – und einem toten Zustand?“

Osho:

Das erste Indiz für ein richtiges, positives Nichts ist, dass es paradox sein wird. Man wird es als alles und nichts empfinden, beides zugleich – dann ist es lebendig. Alles Lebendige ist paradox; nur Totes ist logisch. Logik lässt sich nur auf tote Dinge anwenden; Logik sagt nichts über Leben aus. Leben transzendiert Logik. Leben ist grundsätzlich unlogisch. Das meine ich, wenn ich es paradox nenne: Es enthält seinen eigenen Gegensatz.

Insofern ist es ein gutes Zeichen, dass du beides empfindest, alles und nichts. Würdest du nur nichts empfinden, wäre es ein toter Zustand; würdest du alles empfinden, wäre es Einbildung. Wenn du beides empfindest, ist es weder ein toter Zustand noch reine Projektion; es ist etwas Authentisches, Wahres.

Sobald du auf natürliche Weise beides empfindest, alles wie nichts, wirst du dich einerseits erschrecken aufgrund des Nichts … denn das Nichts wirkt wie der Tod; ja ist der Tod: der Tod des Ego, der Tod von allem, was du bisher als dein Selbst gekannt hast. Es ist der absolute Bruch mit der Vergangenheit – von daher kommt Angst auf. Du verlierst deine Identität, und es gibt keine größere Krise im Leben als das.

Man möchte sich an seine Identität klammern; zumindest weiß man dann, wer man ist. Selbst wenn diese Identität die reinste Hölle war, möchtest du dich dennoch an sie klammern. Zumindest war es etwas Greifbares. Jetzt löst sich alles Greifbare auf, und alles, was du bisher von dir gewusst hast, verdampft. Eine große Angst packt dich. So als würdest du gleich sterben. Es ist nur natürlich, sich zu erschrecken.

Aber du fühlst dich andererseits auch zutiefst erfüllt; denn es ist ein Tod und eine Wiederauferstehung, eine Kreuzigung und eine Wiederauferstehung. Wenn du bereit bist, deine alte Identität zu verlieren, wirst du erneut geboren. Ein neues Leben beginnt zu pulsieren, ein neues Herz beginnt zu schlagen. Als Ego verschwindest du, aber du erscheinst nun als Teil des Ganzen, der unermesslichen Weite, des Alls.

Dies ist wirklich die Geburt des heiligen Menschen –, denn der wird Teil des Ganzen. Dies ist die Geburt eines Buddha, eines Christus‘. Lass dich also trotz all deiner Ängste darauf ein, klammere dich nicht an deine Vergangenheit. Und vergiss nicht, deine Angst ist deshalb so mächtig, weil sie von deiner gesamten Vergangenheit unterstützt wird … und du hast eine gewaltig lange Vergangenheit von Millionen von Leben. Nicht nur dein jetziges, sondern viele, viele Leben sind in deinem kollektiven Unbewussten enthalten. Sie werden dich alle zurückzerren. Sie werden sagen: „Wo willst du hin? Wirst du verrückt? Komm zurück zu deinem alten Obdach, deiner alten Sicherheit!“ Die Vergangenheit ist lang; sie hat immenses Gewicht, enorme Schwerkraft. Und das Neue, das da zur Welt kommt, ist ganz wie ein neuer Spross, sehr zerbrechlich. Es ist sehr leicht zu zerquetschen, sehr leicht zu zerstören. Vergiss nicht, dass du, wenn du wegen all deiner Ängste nicht weitergehst, niemals ins Unbekannte vorstoßen wirst. Und wer ins Unbekannte vorstößt, der gelangt zu Gott. Gott wird nie erkannt. Er ist nicht nur unbekannt, er ist auch unkennbar. Und alles, was ihr über Gott wisst, sind nur eure Gottesvorstellungen, nicht eure Erfahrung.

Alle, die Gott erfahren haben, sind verstummt, haben sich völlig in Schweigen gehüllt. Sie haben kein einziges Wort über Gott verloren. Sie haben nur die Richtung gewiesen. Buddha sagt: Die Buddhas zeigen euch den Weg, aber sie sagen nichts aus über die letzte und höchste Erfahrung. Sie zeigen euch, wie ihr hingelangt, aber sie sagen nie genau, was es ist. Es ist undefinierbar, unaussprechlich. Gott ist ein Mysterium. Ja, Gott ist nur ein anderes Wort für das unerforschliche Universum, in welchem wir leben und atmen. Wir gehörten diesem großen Mysterium an und es gibt keine Möglichkeit, es zu de-mystifizieren.

Also werdet ihr euch, wenn ihr vorsätzlich aufbrecht, darauf gefasst machen müssen, dass ihr damit eure Vergangenheit aufs Spiel setzt. Ihr werdet auf den Ruf des Unbekannten hören müssen. Er kommt von weither, ein ferner Ruf, und gibt euch keine Garantie. Niemand kann euch eine Garantie geben, nur Anhaltspunkte.

Ich kann dir sagen: Du hast den richtigen Ruf vernommen. Aber es ist riskant, denn du wirst dabei alles, was du über dich selber weißt, für etwas weit Entferntes, Unsichtbares, Mysteriöses riskieren. Man kann nie sicher sein. Du kannst Gott nicht berechnen; du kannst, was Gott angeht, weder schlau noch gerissen sein. Du musst in einfache Unschuld gehen, genau wie ein kleines Kind, das ohne jede Angst an der Hand seines Vaters in den tiefen Wald gehen kann. Löwen mögen brüllen, aber das Kind fürchtet sich nicht, weil es weiß, dass seine Hand in der Hand seines Vaters ist. Der Vater selbst mag zittern, aber das Kind ist entzückt von der ganzen Reise, von dem ganzen Aben­teuer. Solch eine Einfachheit ist nötig, solch eine Unschuld ist nötig. Nur dann kannst du das Risiko eingehen.

Ein Kind ist das mutigste Wesen überhaupt. Je älter es wird, je erfahrener, desto feiger wird es, desto berechnender wird es. Dann überlegt man sich’s zweimal, bevor man irgendeinen Schritt tut, und wer zu viel überlegt, kommt überhaupt nicht vom Fleck. Sehr berechnende Leute bleiben ihr Leben lang stecken. Sie tun keinen Schritt, weil jeder Schritt Furcht in ihnen auslöst – und das hier ist der größte Schritt überhaupt.

Geh in Freuden weiter. Und mach dir keine Gedanken darüber, was der Unterschied ist zwischen einem leeren, einem negativen Zustand und einem positiven, erfüllenden Zustand. Lass es dir egal sein. Auf die Art fängt der Verstand an zu kalkulieren, auf die Art gewinnt der Verstand langsam die Oberhand. Du brauchst ihn nicht – du bist auf der richtigen Spur.

Merke dir: Wo immer du auf ein Paradox stößt, kannst du daran erkennen, dass du auf dem richtigen Weg bist. Wenn du auf kein Paradox stößt, musst du irgendwo auf einen Holzweg geraten sein, gehst du in eine falsche Richtung. 
Also frage mich nicht: „Wie fühlt sich das eine oder das andere an?“ Wenn du das eine oder das andere fühlst, bist du auf dem falschen Weg. Wenn du beides fühlst, dann fühlst du das Ganze. Das Ganze muss beides sein, das Negative und das Positive. Es muss beides sein, der Tod und das Leben, der Sommer und der Winter.

Und das ist für den Verstand ein Rätsel, da kommt der nicht mehr mit. Der Verstand hätte gern alles klar und deutlich, aber da ist nichts zu ändern: Die Bedürfnisse und Erwartungen des Verstandes können nicht erfüllt werden. Die Schöpfung ist nicht verpflichtet die Bedürfnisse und Erwartungen des Verstandes zu erfüllen. Du musst die Schöpfung so nehmen, wie sie ist. Sie ist paradox und der Verstand ist nicht paradox. Der Verstand ist linear, logisch und nicht dialektisch. Der Verstand ist lediglich aristotelisch, die Schöpfung dagegen ist eher hegelianisch als aristotelisch. Sie ist eine Dialektik, geht immer von der These zur Antithese, weiter zur … und so weiter und so fort. Ihre ganze Bewegung beruht auf These und Antithese. Die polaren Gegensätze sind in Wirklichkeit gar nicht gegensätzlich, sondern ergänzen einander.

Genieße die Polarität, das Paradox. Freu dich, dass du auf dem richtigen Weg bist. Und geh immer weiter, trotz aller Ängste. Sie sind natürlich. Ich kann nicht sagen, dass du diese Ängste nicht haben solltest – sie sind absolut natürlich. Aber du kannst trotz ihrer weitergehen.

Denk daran: Der Unterschied zwischen einem feigen und einem mutigen Menschen ist nicht, dass der Feigling Angst hat und der Mutige keine Angst hat. Nein, das ist nicht der Unterschied zwischen dem Feigling und dem Mutigen. Beide haben Angst. Der Unterschied ist, dass der Feigling auf seine Angst hört und stillsteht, und der Mutige keine Notiz von ihr nimmt, sie beiseiteschiebt und trotzdem weitergeht.

 

Aus: The Dhammapada: The Way of the Buddha, Vol 10, #6

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