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Diskurse

Irrwege

Von Osho

Frage an Osho: "In mir steigt eine große Dunkelheit auf. Und am liebsten würde ich dieses unerträgliche Ich zurückgeben und wieder frisch beginnen, um bloß nicht mit einer Persönlichkeit heranzuwachsen, die so unentrinnbar an meinem Selbst klebt. Ich erinnere mich an eine frühe Unschuld, als ich noch wusste, wer ich war. Doch das ist, sosehr ich mich auch bemühe, unwiederbringlich vorbei. An meinen inneren Zeugen komme ich nicht ran und meinen Augen kann ich nicht trauen. Ich bin schon vor langer Zeit in die Irre gegangen; nur weiß ich nicht mehr, wo ich meine Ehrlichkeit und Unschuld und Liebe mit dem Falschen, dem Versuchen, dem Dummen eingetauscht habe. Wie finde ich wieder zurück?"

Deine Story ist die Story aller. Jeder hat sich verirrt. Jeder ist verloren gegangen. Vielleicht gehört das Verirren, das Vergessen des Weges nach Hause zurück, die Suche nach ihm, ja zum menschlichen Wachstum dazu; denn wer sich nicht verirrt, der braucht auch nicht zu suchen. Nur wer vom Wege abkommt, kann ihn wiederfinden. Nur wer sich selber vergisst, wird sich irgendwann wiederfinden. Also kann das deinem spirituellen Wachstum nichts anhaben.

Es gehört dazu, und zwar absolut wesentlich dazu, dass du in der Finsternis verloren gehst – in der Seelenqual, im Leiden. Aber es ist nicht nötig, in der dunklen Nacht der Seele zu bleiben. Man braucht sich im Leid und Elend, in der Unwissenheit und Unehrlichkeit, in einem falschen und unechten Leben nicht häuslich einzurichten. Man muss diese Gelegenheit nutzen. Ja, für mich ist das eine goldene Gelegenheit, auch wenn ich genau weiß, dass es wehtut. Doch jede Geburt tut weh und erst recht eine spirituelle Geburt. 

Du musst dich nicht mit dem Leid, mit dem Elend, mit dem Schmerz abfinden. Du musst immer weiter suchen. Es geht nicht darum, den richtigen Weg zu finden. Jeder Weg ist richtig, wenn deine Suche tief, deine Hoffnung gewaltig, dein Vertrauen grenzenlos ist. Dann wirst du, ganz gleich wo du bist und welchem Pfad du auch folgst, den Ozean erreichen – genauso wie jeder Fluss den Ozean erreicht, der sich seinen Weg durch die Berge, durch die Täler, durch fremde Länder, fremde Völker bahnt ohne Wegführer, ohne Landkarte, ohne dass ihm irgendwer zeigt, welche Richtung er einschlagen muss. 

Jeder Fluss, klein oder groß, erreicht den Ozean. Wie es scheint, macht ein tiefer Durst, eine starke Sehnsucht aus jedem Weg den richtigen Weg. 

Alle Wege führen zum Ozean. Du brauchst nur geduldig genug zu sein und der Existenz zu vertrauen. Und dass du dich erinnern kannst, wird von enormem Wert sein: Einst wusstest du, wer du bist, hattest du dich noch nicht verirrt, warst du noch nicht auf die Pfade von Begierde und Ehrgeiz geraten. Da ruhtest du noch in dir selbst, aufrichtig, ehrlich und unschuldig. Du weißt somit, dass du dir den Zustand, nach dem du jetzt wieder suchst, nicht nur einbildest. Du hast ihn gekannt, so warst du einmal; jetzt kommt es nur darauf an, wie du wieder in diesen Zustand gelangst.

Da ist es logisch, den richtigen Pfad zu suchen. Und damit begegnet jedem spirituellen Sucher eines der größten Probleme: Denn jeder Pfad führt dich weg von dir selbst. Jeder Pfad führt zu einem Ziel – weit weg.

Folglich geht es nicht darum, den richtigen Weg zu finden, sondern das richtige Bewusstsein – aufzuwachen. Und seltsamerweise verändert sich damit sofort das ganze Problem. 

Es ist ein Traum, dass du weit weg gehen kannst, dass du einen weit entfernten Stern besuchen kannst. Aber wenn du aufwachst, tust du es in deinem eigenen Zimmer, in deinem eigenen Zuhause. Es geht also nicht darum, den richtigen Weg zu finden, der dich von dem weit entfernten Stern wieder nach Hause zurückführt. Du bist bereits dort, nur hast du das vergessen. Das ist die Bedeutung eines der schönsten Wörter überhaupt – das von den Religionen beschmutzt worden ist … nämlich das Wort „Sünde“; ursprünglich bedeutet es Vergesslichkeit. Wenn Vergesslichkeit die Sünde ist, dann ist Bewusstheit die einzige Tugend.

Du fragst: In mir steigt eine große Dunkelheit auf. Und am liebsten würde ich dieses unerträgliche ich zurückgeben und wieder frisch beginnen; um bloß nicht mit einer Persönlichkeit heranzuwachsen, die so unentrinnbar an meinem Selbst klebt. Ich erinnere mich an eine frühe Unschuld, als ich noch wusste, wer ich war. Doch das ist, sosehr ich mich auch bemühe, unwiederbringlich vorbei. An meinen inneren Zeugen komme ich nicht ran, und meinen Augen kann ich nicht trauen. Ich bin schon vor langer Zeit in die Irre gegangen; nur weiß ich nicht mehr, wo ich meine Ehrlichkeit und Unschuld und Liebe mit dem Falschen, dem Versuchen, dem Dummen eingetauscht habe. Wie finde ich wieder zurück?

Einfach, indem du wach bist! Rüttle dich, ohrfeige dich – aber wach auf! Spring aus dem Bett – aber wach auf. Du träumst nur, dass du leidest. Deine Dunkelheit ist ein Traum, dein Verirren ist ein Traum. Das bedeutet das Wort maya. Der Mensch lebt in Illusion. Es führt kein Weg aus der Illusion heraus, denn dieser Weg aus der Illusion wäre auch nur wieder eine Illusion. Du musst schlicht und einfach aufwachen. Es gibt keinen Weg, keine Brücke. Im einen Zustand bist du unbewusst, im anderen bist du bewusst. Und die Entfernung von der Unbewusstheit zur Bewusstheit ist Null … nur ein kleiner Ruck, ein bisschen Jogging. (…)

Du bist dort, wo du seit jeher gewesen bist; du hast dich noch keinen Zentimeter von deiner Unschuld, von deinem Wesen oder deiner Aufrichtigkeit entfernt. Du kannst dich überhaupt nicht von dir selber entfernten, das ist ein Ding der Unmöglichkeit. So wie du auch nicht deinem Schatten wegrennen kannst. Je schneller du rennst, desto schneller rennt dein Schatten; je langsamer du gehst, desto langsamer geht dein Schatten. Aber du kannst ihm nicht entkommen. 

Wenn das schon mit deinem Schatten so ist, was ist dann mit deinem innersten Sein? Wie willst du dich von ihm entfernen? Egal wo du bist, es bleibt im innersten Heiligtum deines Bewusstseins – immer unberührt, unverdorben. Du brauchst also nichts weiter zu tun, als dich still hinzusetzen, deine Augen zu schließen und in dein Inneres zu schauen. Du wirst denselben Zustand wiederfinden, an den du dich mit solcher Leidenschaft, mit solcher Liebe erinnert hast. Er ist nach wie vor da. Und dasselbe gilt für jeden anderen auch.

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