Wie ein Magnet – zur Geschichte des Osho UTA, Teil 1
Das Osho UTA Institut ist eines der größten Zentren für spirituelle Therapie und Meditation in ganz Europa. Ein wunderschöner Platz, der viele Menschen anzieht und einlädt, sich auf den „Weg nach Innen“ zu machen.
Seine jetzige Form ist aus dem Kölner Buddhafeld geboren, das eine abwechslungsreiche und sehr lebendige Entwicklungsgeschichte hat. Im ersten Teil des folgenden Interviews berichtet Ramateertha über die Entstehung des Kölner Buddhafelds, aus dem eine Vielzahl von Sannyas-Betrieben hervorgegangen sind. Viele von ihnen arbeiten heute unter dem Dach des Vereins „Osho Lotus Commune“ zusammen.
von Ishu Lohmann
Der Anfang
I: Erzähl doch mal etwas von den Umständen, wie es war, als Osho dir vorschlug, ein Center in Köln aufzubauen?
Rt: Es war im Februar 1976 und ich befand mich in der Endphase meines Medizinstudiums. Direkt nach dem Wintersemester fuhr ich nach Pune, um mir den Mann anzugucken, von dem ich schon einiges gehört hatte. Ich habe dann Sannyas genommen und bin sechs Wochen später zurück nach Deutschland gefahren. Zu dieser Zeit gab es einen Leaving Darshan, das heißt, Osho verabschiedete jeden persönlich und meistens gab er jedem noch etwas mit auf den Weg. Damals bekam man noch so eine kleine Holzdose mit einem Haar von ihm drin – die habe ich heute noch. Er gab mir also diese Dose und fragte mich, wo ich hingehe. „Nach Köln,“ sagte ich und er sagte: „Geh und hilf dort meinen Leuten.“ Ich sagte ihm, dort gebe es noch keine Sannyasins. „Oh,“ sagte er, „gut, dann eröffne du dort ein Center.“ Da habe ich ihn groß angeguckt und gesagt: „Nein!“ Er aber ließ sich nicht irritieren und sagte: „Why not?“ Ja, warum nicht, darauf wusste ich auch keine Antwort, außer: Ich habe kein Geld und ich kann das nicht. Er hat mir dann fast zwanzig Minuten genau erklärt, warum ich das machen sollte und warum das auch gut für mich sei. Dann sagte er: „So, nun geh und mach dir keine Sorgen. Ruf deine Freunde zusammen und leg los.“ Das war der Samen des heutigen Osho UTA Instituts. Was er mir damit für ein Geschenk gemacht hat, habe ich erst Jahre später verstanden.
Am 1. April 1976 kam ich nach Köln zurück und alles war eine ziemliche Katastrophe. Auf der einen Seite musste ich noch mein drittes Staatsexamen machen, auf der anderen Seite war da dieser Auftrag von Osho, das Center zu machen, nur das klappte überhaupt nicht.
Dynamische Meditation in der Waschküche
I: Gab es denn überhaupt Leute, die interessiert waren?
Rt: Doch, die gab es schon. Ich hatte in dem Wintersemester 75/76 an der Uni eine Gruppe geleitet und während dieser Zeit habe ich jeden Morgen unten in der Waschküche des Hauses, wo sich meine Studentenbude befand, die Dynamische gemacht. Da gab es noch nicht einmal ein Tonband und ich musste die verschiedenen Phasen mit der Eieruhr stoppen: 15 Minuten Schnaufen, 15 Minuten Katharsis, 15 Minuten Hu und 15 Minuten Stille – so war die ursprüngliche Fassung.
Das habe ich tatsächlich ein halbes Jahr lang durchgezogen und manchmal kamen andere Leute dazu. Es gab also schon ein paar Interessierte. Nach außen hin scheiterten die ersten Versuche, ein Center zu gründen, am Geld. Im Nachhinein sehe ich das eher so: Sie scheiterten, weil ich nicht wirklich klar war. Ich wollte immer noch versuchen, die Verantwortung bei anderen abzuladen, denn ich selber hatte Angst. Wir fanden dann auch Plätze, wo wir meditieren konnten. Aber das richtige Engagement fehlte und so verlief es sich immer wieder im Sande.
Ein Jahr später war ich wieder für vier Monate in Pune und nach meiner Rückkehr versuchte ich es erneut. Insgesamt gab es drei Versuche. Sie alle scheiterten, weil die Mietverträge nicht zu Stande kamen und nicht genug Geld da war. Als auch der dritte Versuch misslang, war ich so enttäuscht, dass ich mir die Frage stellte, was ich überhaupt noch in Köln verloren hätte. Ich habe dann eine Zeitlang Praxisvertretungen gemacht, um Geld zu verdienen. Mit diesem Geld bin ich nach Pune gegangen und fast ein Jahr geblieben.
Im Sommer 1980 kam ich zurück und ging nach München. Ich befand mich auf dem Höhepunkt einer schweren Lebenskrise. Ich war so verzweifelt, dass ich immer wieder an Selbstmord dachte. Gleichzeitig war ich es leid, diesen Gedanken immer im Kopf zu haben.
Eines Abends habe ich mich hingesetzt und mir gesagt: „Okay, entweder du machst es jetzt oder du hörst auf, daran zu denken.“ Dann fiel mir eine Szene aus dem Film „Lina Brake“ ein. In diesem Film geht es um eine alte Frau, die aus ihrer Wohnung, in der sie vierzig Jahren gelebt hat, rausgeschmissen wird. An der Stelle des Wohnhauses entsteht ein modernes Bankgebäude. Die alte Frau kommt also ins Altersheim und wird völlig depressiv. Sie überlegt zu gehen und dann überlegt sie, ob es noch irgendetwas gebe, was sie zu erledigen habe. Auf einmal sieht man ein Funkeln in den Augen dieser Frau und ein Lächeln geht über ihr ganzes Gesicht. Doch, da gebe es noch etwas, sagt sie. „Ich würde dieser Bank gerne eins auswischen.“ Diese Szene kam mir in Erinnerung und ich fragte mich, ob es für mich noch etwas gebe, was ich zu erledigen hätte? Da kam mir der Gedanke an das Center in Köln und ich wusste: Jetzt werde ich es nochmal versuchen.
Die Nummer Dreizehn aus dem I-Ging
RT: In der Wohngemeinschaft, in der ich damals untergekommen war, lagen I-Ging-Münzen herum. Obwohl ich Jahre zuvor aufgehört hatte, Tarotkarten zu ziehen oder I-Ging-Münzen zu werfen, warf ich in dieser Situation die Münzen. Ich warf eine Dreizehn. Die Dreizehn bedeutet Gemeinschaft mit anderen. Und genau das war dann das Thema des Centers, aus der sich später die Kommune entwickelte.
Das alles geschah am 1. September 1980. Es war mein Geburtstag und astrologisch der Tag, an dem meine Saturnrückkehr endete. Ich beschloss, sofort nach Köln zu fahren, wo es inzwischen schon einige Sannyasins gab. Dort traf ich im Cafe Fleur „zufällig“ einen Sannyasin, der gerade 300.000,- DM geerbt hatte und das Projekt mit 10.000,- DM unterstützen wollte. Am darauf folgenden Samstag frühstückte ich im damaligen Miss Piggy, einem Szenelokal im Belgischen Viertel, wo heute das Five Seasons ist. Danach ging ich durch das Belgische Viertel auf der Suche nach Räumen für das Center.
In der Lütticher Straße sah ich eine Baustelle – ein Altbau wurde gerade restauriert. Ich ging rein und sah mir die Räume an und dachte: „Ja, das würde passen.“ Dann hörte ich, wie jemand durchs Haus ging und die Schritte klangen wie von jemandem, der sich auskennt. Ich ging also zu ihm hin, so wie ich war: rot, Mala, lange Haare und Bart. Ich sprach diesen Mann an und fragte, ob er wüste, wer der Hauseigentümer sei. Der kuckte mich von oben bis unten an und sagte ziemlich ruppig: „Wat wollen Se denn?“ „Ich will hier etwas mieten,“ worauf er sagte: „Dat können Se von mir. Kommen Se nächsten Dienstag in mein Büro, dann können wir einen Vertrag machen.“ Diesen Samstagmorgen werde ich nie vergessen. Es war der Tag, an dem Köln seine 700-Jahrfeier zum Bestehen des Domes hatte und ich wusste: Jetzt wird es endlich passieren. Das war ein überwältigendes Gefühl nach zwei wirklich schlimmen Jahren, die ich hinter mir hatte.
Es geht los!
RT: Ich mietete dann zwei Wohnungen mit insgesamt 300 Quadratmetern, wobei mir das Herz in die Hose rutschte, angesichts der 2000 DM Miete, die ich dafür jeden Monat aufbringen musste.
Im Oktober 1980 war der erste Raum fertig. Das war dann gleichzeitig mein Schlafzimmer, der Meditationsraum, Büro und Teestube. Wir gründeten dann den Anand Sagar Rajneesh Meditationszentrum e.V., der heute Lotus Commune e.V. heißt. Anand Sagar war der Name, den Osho mir im März 1976 für das Center gegeben hatte und er bedeutet ocean of bliss – Ozean der Glückseligkeit. Noch im Oktober haben wir im Keller eine dicke Trennwand entfernt, sodass wir einen fünfzig Quadratmeter-Raum für die Meditationen hatten. Dort habe ich die ersten Meditations-Camps geleitet. Sobald wieder ein neuer Raum frei wurde, zogen andere Sannyasins ein. Wir hatten immer Platzmangel und das blieb bis zum Ende der Commune so.
Das Buddhafeld beginnt zu wirken
RT: Ich hatte damals eine unglaubliche Energie. Morgens um sieben Uhr, als die ersten Handwerker kamen, fing ich an und nachts hörte ich so gegen ein, zwei Uhr auf. Das Center war wirklich eine Lebenswende für mich. Alle Energie, die vorher nicht wusste wohin und fast in Selbstzerstörung geendet wäre, hatte plötzlich eine Richtung und konnte sich ausdrücken. Hinzu kam, dass im Anand Sagar Wunder passierten, von denen ich fest geglaubt hatte, dass sie nur in Oshos physischer Präsenz möglich wären.
I: An welche Wunder denkst du?
RT: Was mit Menschen passierte, die auf einmal ihr Leben total veränderten. Die Sachen hinter sich lassen konnten, Sannyas nahmen und aufblühten. Oder wie sich Menschen in einander verliebten, die Fähigkeit entdeckten, sich auf einander zu beziehen, ohne den kleinbürgerlichen Mief von Heirat und anderen gesellschaftlichen Regulationen. Dann fingen wir auch an, Gruppen anzubieten. Was in den Gruppen passierte, war für mich unbegreiflich. Allein was bei einem simplen Meditationscamp an Begeisterung und Aufblühen von Teilnehmern geschah, hätte ich mir sonst nur in der physischen Nähe von Osho vorstellen können. Das Center war von Anfang an ein Magnet und die Leute kamen und kamen. Es gab immer nur das Problem: Wo tun wir sie hin?
Jeder Pfennig wird investiert
I: Dann waren also auch schnell deine finanziellen Sorgen verschwunden?
RT: Nein, Geld war immer ein Thema. Es war nie genug Geld da, um alle Pläne und Träume zu verwirklichen. Geld war immer knapp. Und das war Thema einer der scharfen Auseinandersetzungen, die ich gleich zum Anfang mit demjenigen hatte, der im Anand Sagar für die Finanzen zuständig war. Er war Betriebswirtschaftler und hatte Riesenprobleme, wie ich mit dem Geld umging, denn das war sicher kein Umgang nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Jeder Pfennig, der kam, wurde sofort investiert. Es ging damals zum Beispiel um den Bau von Duschen, die wir dringend brauchten. Da sagte er: „Das kannst du nicht machen, dafür haben wir kein Geld.“ „Doch“, sagte ich, „was immer wir da rein tun, kommt auch wieder zurück.“ Der ist fast wahnsinnig geworden und ist schließlich auch gegangen.
Wenn Leute mich später fragten, wie hast du das Ganze geplant, konnte ich nur sagen, es gab keine Strategie. Das war ein Happening, eins geschah nach dem anderen.
I: Es war also ein rasantes Wachstum. Was kam als Nächstes?
RT: Schon ein Jahr nachdem ich die Räume in der Lütticher Straße gemietet hatte, kauften wir das „Miss Piggy“. Damals bestand die Kommune schon aus fünfzig Leuten und wir brauchten dringend Arbeitsplätze. Interessanter Weise war das Kölner Center zu Pune 1-Zeiten als therapiefeindlich verschrien. Das hatte folgenden Hintergrund: Es war für mich okay Therapie anzubieten, aber ich wollte nicht, dass wir in unserem wirtschaftlichen Überleben von Therapie abhängig sind. Ich wollte auf keinen Fall, dass wir Leuten Gruppen verkaufen, nur weil wir die Einnahmen brauchen. Das war eine ganz klare Entscheidung.
Das erste Restaurant
RT: Um aus dieser wirtschaftlichen Abhängigkeit herauszukommen und weil immer mehr Leute bei uns leben wollten, war ganz klar: Wir müssen Arbeitsplätze schaffen. Damals kamen die Leute des Miss Piggy zu mir und boten mir ihr Restaurant zum Kauf an. Wir hatten natürlich kein Geld, aber dennoch sagte ich sofort: Ja, ich kaufe das. Der Kaufpreis lag bei 300.000,- DM. Ich hatte noch keinen blassen Schimmer, woher das Geld kommen sollte. Am 1.8.1981 hatten wir noch keinen Pfennig – am 1.9. war Zahltag. Da mussten die ersten 200 000 DM auf den Tisch, den Rest konnten wir später in Raten zahlen. Tatsächlich hatte ich um den 25.8. herum 170 000 DM zusammen. Dann stoppte der Fluss und nichts kam mehr rein. Ich habe dann mit allen Leuten ein Meeting gemacht und gesagt, wir haben jetzt noch fünf Tage Zeit, das restliche Geld zu organisieren. Also kuckt eure Konten an, fahrt nach Hause und schaut, was ihr auftreiben könnt. Dann sind alle losgefahren und am 1. September hatten wir 200 000 DM zusammen. Das Miss Piggy war unser. So lief das damals immer. Wir hatten nie Überschüsse und also auch nie die Sorge: Was machen wir mit dem Geld? Es war immer andersherum: Jede Menge Möglichkeiten und Ideen und immer die Frage: Wie bekommt man es finanziert?
Die Umwelt reagiert …und ist fasziniert
I: Wie haben eure Nachbarn im Belgischen Viertel auf eure Expansion reagiert?
RT: Zunächst waren sie fasziniert. Köln hat ja dieses Klima von „Jeder Jeck is anders“ und das kam uns am Anfang zugute. Aber je mehr wir dann wurden, desto mehr Angst bekamen die Leute. Wir mieteten immer mehr Wohnungen an und da wir alle rot trugen, fielen wir sehr stark auf. Insbesondere viele Gewerbetreibende waren sauer auf uns. Der Metzger war der erste, natürlich weil wir kein Fleisch kauften. Als Nächstes kamen die Handwerker, die sauer waren, weil wir unsere eigenen Handwerker hatten. Und sie sahen, dass wir praktisch in der Lage waren, alle Preise zu unterbieten. Außerdem dachten sie, wir würden alle Wohnungen aufkaufen. Tatsächlich haben wir damals nur gemietet, weil es von Osho eine ganz klare Order gab, keine Wohnung zu kaufen. Die Leute kriegten richtig Angst und teilweise steigerte sich das bis hin zu Pogromstimmungen. Es gab dann Initiativen gegen uns und die Grenzen der kölschen Toleranz wurden immer deutlicher sichtbar.
Gleichzeitig hatte die bei uns sichtbare Aufbruchstimmung etwas ungeheuer Anziehendes. Ich habe viele Leute erlebt, die dann Jahre später ins UTA kamen und sogar Sannyasins wurden, die damals in der Lütticher Straße gewohnt hatten und absolut fasziniert gewesen waren. Sie erzählten mir, dass sie sich damals nie in unsere Räume getraut hätten.
Es war schon ein beeindruckendes Bild: Wenn in der Lütticher Straße die Sonne unterging und auf der einen Seite all die roten Autos der Rajneesh-Betriebe standen und auf der anderen Seite die rot gewandeten Sannaysins liefen, war es wie ein Meer in Rot.
I: Aber trotz dieser Berührungsängste habt ihr doch auch viele Leute von außen angezogen?
Rt: Auf jeden Fall. Es war ein sehr offenes System. Zunächst kamen viele Verwandte und Freunde von Sannaysins, die mitbekommen hatten, welche dramatischen Änderungen sich in deren Leben vollzogen hatten. Oder solche, die einfach neugierig waren. Andere waren angezogen, weil sie mitbekamen, dass es bei uns einen sehr sinnlichen und fröhlichen Umgang miteinander gab. Die Leute merkten, dass wir eine gute Zeit hatten. Vielen brachten das einfach nicht zusammen: Auf der einen Seite das Bild in den Medien von hörigen, gehirnamputierten Jüngern und auf der anderen Seite ihre konkrete Erfahrung mit uns. Die Leute sahen: Da sind intelligente Menschen, die sind einfach gut drauf und haben Spaß. Diese Diskrepanz hat manche Leute zur Verzweiflung gebracht. Die wollten dann herausfinden, was geht da vor sich?
Die kleine und die große Disko
I: Wann habt ihr die kleine Disko aufgemacht?
Rt: Das war1982 und das war noch einmal eine ganz entscheidende Wende. Auch nicht geplant oder kalkuliert. Der Ankauf der Diskothek geschah vor dem Hintergrund, dass wir keinen Meditationsraum hatten, der wirklich schallisoliert war. Die Beschwerdeanrufe der Nachbarn häuften sich. So entstand die Sehnsucht nach einem Raum, in dem man tun und lassen konnte, was man wollte, ohne dass sich ein Nachbar beschwert. Genau in dieser Zeit hatte die unmittelbar um die Ecke liegende Diskothek in der Brabanter Straße Pleite gemacht und wurde uns zum Verkauf angeboten. Keiner von uns hatte Ahnung, wie man eine Disko betreibt. Aber die Vorstellung, dass da ein schallgeschützter Raum war, in dem man wirklich tanzen und feiern konnte, zog uns an.
Die Verhandlungen mit dem Anwalt der Eigentümer waren dann überaus schwierig, da sich die beiden Betreiber zerstritten hatten und beide aus der Halbwelt kamen. Der Hauseigentümer wollte auf keinen Fall an Sannyasins vermieten, da wir aber die GmbH der Disko übernommen hatten, musste er uns als seine neuen Mieter akzeptieren. Die Finanzierung war wieder überaus schwierig und uns rutschte das Herz in die Hose, denn anfangs war die Disko leer. Wir baten dann Sannyasins nicht rot gekleidet in die Disko zu kommen, damit es für unsere Geldgeber so aussah, als hätten wir „normale“ Besucher.
Und dann kam auf einmal die große Wende. Rupi wurde unser DJ und unsere ganze Energie und die Stimmung von Celebration floss in den Laden. Das war wie ein Magnet. Innerhalb von kürzester Zeit hatten wir Schlangen vor dem Laden und verdienten viel Geld. Das wiederum wurde in neue Wohnungen investiert und half mit, den ganzen Kommune-Apparat zu finanzieren. Immerhin bekam jeder neben seinem Taschengeld auch Mahlzeiten, seine Wäsche gewaschen und sein Zimmer gesäubert.
Ich konnte damals ein interessantes Phänomen beobachten. Die Kommune war der Traum vieler Leute, denen im Grunde auch die Kleinfamilie viel zu eng war. Viele beobachteten unser Experiment und drückten uns insgeheim die Daumen. Das merkte ich immer wieder im Kontakt mit Geschäftspartnern oder auch mit Leuten, die nur so vorbeikamen.
I: Hat die Disko wesentlich dazu beigetragen, dass eine Hemmschwelle überwunden wurde?
Rt: Auf jeden Fall. Als wir im Sommer 1982 mit allen sechzig, die damals in der Kommune lebten, zum ersten World-Festival nach Oregon fuhren, mussten wir die Disko eine Woche zumachen. Unseren Abschiedsabend in der Disko werde ich nie vergessen. Wir brachten eine riesige Torte herein und einige Leute hatten Tränen in den Augen. Die bloße Vorstellung, dass wir fahren und womöglich nicht wiederkommen, machte ihnen Angst. Das war eine unglaubliche Stimmung. Die Leute, die in die Disko kamen, lebten von uns und wir lebten mit ihnen. Ganz viele von denen sind später Sannyasins geworden, weil sie durch unsere Celebration eine Ahnung bekamen, was Osho eigentlich ist. Bald hatten wir solche Schlangen vor der Disko, dass wir die Notwendigkeit sahen, uns zu erweitern. Ein Jahr später ergab sich die Möglichkeit, dass wir auf dem Ring Räume anmieten konnten, wo wir dann die große Disko bauten. Dort passten 1500 Leute rein – es war eine fantastische Energie in dem Laden. Das war Celebration pur und wurde praktisch von der gesamten Kommune getragen.
I: Wie viele Leute haben zu Spitzenzeiten in der Kommune gelebt?
Rt: Bevor die Kommune geschlossen wurde – das war im Februar 1986 – lebten dort 380 Leute.