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Diskurse

Der Weg des Wassers

Von Osho

Frage: "Du hast oft gesagt, dass keine Verbesserung nötig ist, kein Ziel erreicht werden muss. Und du hast auch darüber gesprochen, wie einem hier im Buddhafeld von denen geholfen werden kann, die schon weiter auf dem Weg fortgeschritten sind und denen unter die Arme greifen können, die ein paar Schritte hinter ihnen sind. Gibt es verschiedene Phasen des spirituellen Wachstums? Und wenn ja, kannst du bitte über sie sprechen und wie sich Leute in diesen verschiedenen Phasen einander helfen können?"

 

Osho: "In der einen Hinsicht ist es eine unteilbare Wirklichkeit. Denn was sie auf der ersten Stufe ist, das ist sie auch auf der letzten Stufe. Sie ist reines Zeugesein. Aber auf der ersten Stufe seid ihr nur Zeuge eurer körperlichen Tätigkeiten. Auf der zweiten Stufe beobachtet ihr eure geistigen Tätigkeiten. Auf der dritten Stufe beobachtet ihr die Tätigkeiten des Herzens. Und auf der vierten beobachtet ihr nur noch euer Zeugesein selbst.

Vom Standpunkt des Zeugeseins aus ist es nur ein und dieselbe Wirklichkeit – unteilbar. Aber vom Standpunkt dessen aus, was jeweils beobachtet wird, kann man es in Stufen unterteilen. Denn dem, der nur seine körperlichen Tätigkeiten beobachtet,  kann enorm viel durch denjenigen geholfen werden, der diese Phase hinter sich hat und schon seine Vorstellungen, Gedanken, Träume, Fantasie beobachtet – kurz alles, wozu der Geist imstande ist. Wer in der dritten Phase ist, kann beiden helfen – dem in der ersten und dem in der zweiten Phase, da er bereits Zeuge ganz unmerklicher Stimmungen, Gefühle, Emotionen ist – sehr feingesponnen, sehr versteckt, kaum greifbar. Und wer schon die vierte und letzte Phase erreicht hat, kann allen dreien helfen.

Die Hilfe besteht in einer Art Ermutigung. Erst kann er euch erklären, dass alle Hindernisse, auf die ihr stoßt, natürlicher Art sind. Er hat sie selber erfahren, macht euch also keine Gedanken. Bleibt weiter am Ball, so schwer sie auch wirken mögen. Sie mögen Felsen sein, und euer Zeugesein mag so weich wie Wasser sein, aber auf lange Sicht gewinnt das Wasser und der Fels wird einfach zu Sand verrieben. Auf den ersten Blick scheint das Wasser keinerlei Gewinnchance zu haben. Was könnte es gegen den Fels ausrichten? Aber am Ende passiert genau das. Ihr braucht nur die Ermunterung von jemandem, der das selber erlebt hat, mit einem: „Lass dich ja nicht von dem Fels und seiner Stärke entmutigen. Gemessen an der Stärke des Wassers ist er nichts!“

Laotse pflegte seinen Weg den „Weg des Wasserlaufs“ zu nennen – ein schöner Name, so sanft, so flüssig, keine Halsstarrigkeit. Man kann Wasser in jede Form gießen – es ist immer bereit, leistet keinen Widerstand. Wenn man es in eine Flasche gießt, nimmt es die Form der Flasche an. Wenn man es in einen Krug gießt, nimmt es die Form des Kruges an, ohne geringsten Widerstand. Und ein so widerstrebendes Element zerstört am Ende den Fels! Aber erst muss dir jemand versichern: „Ich hatte dasselbe Problem. Verlier nicht den Mut. Der Fels wird sich auflösen, wird sich auflösen müssen. So will es die Existenz.“

Was also die Gegenstände des Zeugeseins angeht, kann man den Weg in drei Schritte unterteilen: der Körper, der Geist und das Herz. Der vierte geschieht dann von selber. Den kann niemand tun. Wenn du die drei Schritte ganz und gar erfüllt hast, findet plötzlich ein Quantensprung statt, findest du dich im Innersten deines Seins wieder. Dort ist der Seher, aber es gibt nichts mehr zu sehen. Dort wohnt die Wahrnehmung, aber es gibt nichts mehr wahrzunehmen. Wenn die Wahrnehmung nichts wahrzunehmen hat, kehrt sie sich um zu sich selber, wird sie selber zu ihrem Gegenstand. Und dies ist es, was wir „die Erkenntnis“ nennen. Du hast schon tausenderlei erkannt, jetzt erkennst du erstmals dein Erkennen. Du bist dir vieler Dinge bewusst gewesen; jetzt wird dir erstmals dein Bewusstsein selber bewusst: Du bist zu Hause angekommen.

Vergiss also nicht: Wenn ich sage, dass es unteilbar ist, meine ich das Zeugesein. Wann immer ich sage, dass die einen fortgeschrittener sein können als andere, meine ich, dass der Gegenstand ihres Zeugeseins entweder grobstofflich sein kann oder feinstofflich sein kann oder äußerst feinstofflich sein kann – bzw. dass es überhaupt keinen Gegenstand mehr hat.

Das ist der Augenblick der Revolution, der Umkehr; und das ist die einzig mögliche Revolution. Sie erschließt alle existenziellen Geheimnisse. Sie erlaubt dir zu fühlen, dass du todlos, ewig bist. Sie beschert dir den Geschmack der reinen Existenz.

Ja, es ist ein Geschmack – darum gibt es keine Worte es zu sagen, keine Möglichkeit es zu erklären – man kann es nur selber erfahren."

Aus: The Last Testament, #16

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