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Diskurse

Alles Unnatürliche fällt von selber ab

von Osho

Frage an Osho:

"Wie kann ich der Falle entgehen, die mir der Verstand stellt, indem er mir nie erlaubt, ganz selig im Augenblick zu sein und geduldig das Gras von selbst wachsen zu lassen? Ich möchte immerzu schneller vorankommen, den Fluss antreiben, und lass mir entgehen, wie schön es ist, mich von ihm selbst in seiner ihm eigenen Geschwindigkeit tragen zu lassen. Kannst du bitte etwas dazu sagen?"

Osho:

"Das ist eine von den ewigen Fragen. Der Osten ist der Wahrheit ziemlich nahegekommen. Es gibt Religionen, die in Indien entstanden sind, und Religionen, die außerhalb von Indien entstanden sind. Letztere glauben alle, dass man nur ein einziges Leben hat – also siebzig Jahre. Natürlich hat man’s dann eilig; hat man es eilig zu haben – ein so kurzes Leben … und so viel zu tun, so viel zu erleben, so viel zu erforschen! Folglich ist der westliche Mensch rastlos, möchte alles immer schneller erledigen, so rasch wie möglich, weil er nur ein so kurzes Leben vor Augen hat. Das darf man ihm nicht verübeln. Die indischen Religionen haben die Ewigkeit im Auge – viele Leben hintereinander. Man hat es nicht eilig, man kennt keine Hast. 

Doch der Mensch ist so dumm … Wenn ihr nämlich die eine Frage gelöst habt, ergeben sich daraus tausend andere Fragen. Die Vorstellung vieler Leben sollte euch da letztlich nur zu entspannen helfen: „Nur keine Eile! Die ganze Ewigkeit gehört euch, ihr braucht also nicht zu rennen, geht einfach nur so, als würdet ihr einen Morgenspaziergang machen … ungezwungen, entspannt.“ So jedenfalls hatte sich das die Leute gedacht, die euch die Vorstellung von der Wiedergeburt mitgaben. Aber so, wie die Leute halt sind, wurden sie faul, statt sich zu entspannen. Sie sagten: „Es hat ja keine Eile, also warum sich die Mühe machen spazieren zu gehen?“ Geschweige denn zu rennen … Aber schon ein Morgenspaziergang war ihnen zu viel. Wozu denn? Die ganze Ewigkeit liegt vor uns – wir können jederzeit einen Morgenspaziergang machen.“

Das war der Grund, warum der Osten arm wurde, es entwickelte sich keine Technik. Die Technik ist dazu da, alles zu beschleunigen, die Waren schneller zu produzieren als es der Mensch mit eigenen Händen kann. Die Menschen blieben arm und wurden immerzu ärmer. Dabei war das eine gute Idee gewesen; doch erwiesen sich ihre Folgen als weniger gut. 
Die westliche Vorstellung war das genaue Gegenteil – nur ein kurzes Leben zu haben. Das führte zwar zu viel Spannung und Angst, aber zu auch Technik, wissenschaftlichen Entwicklungen, Reichtum, Komfort, Luxusartikeln; all das ist ihr zu verdanken. Aber der Mensch verlor darüber seine Innenwelt, weil er immer in Hetze war.  

Er war nie dort, wo er war, sondern immer unterwegs nach etwas anderem. Und jenes Ziel, wo man anhalten darf, kommt nie. Folglich haben die Menschen im Westen schnelle Verkehrsmittel, um das Tempo aufzudrehen. Aber fragt sie nicht: „Wo geht es hin?“ Verschwendet nicht ihre Zeit mit solch dummen Fragen! Hauptsache, es geht schnell – das Wohin und Warum spielt überhaupt keine Rolle. Beide Vorstellungen sind gescheitert. Weder die Religionen des Ostens noch die Religionen des Westens haben etwas gebracht. Alle beide versuchten sie, euch einen Leitgedanken zu geben, ohne euch je eine Erkenntnis eures eigentlichen Wesens zu bescheren. 

Sehr im Unterschied zu mir: Du sagst zum Beispiel in deiner Frage, dass du zwar verstanden hättest: „Entspann dich und lass das Gras von selbst wachsen“, dich aber dennoch immerzu antreibst. Nein, du verstehst es nicht. Zunächst musst du dir klarmachen, dass du die Bedeutung von „das Gras von selbst wachsen lassen“ nicht verstehst. Wenn du das verstehst, wird das Antreiben und Zwingen entfallen. Wenn ich sage, es wird verschwinden, sage ich nicht, es wird aufhören. Das ist von Person zu Person verschieden…

Wenn du verstehst, was mit „das Gras von selbst wachsen lassen“ gemeint ist – wie dies riesige Universum sich so still und so friedlich bewegt … wie Millionen von Sonnensystemen, Millionen von Sternen tagein, tagaus ihre Bahnen ziehen … von Ewigkeit zu Ewigkeit … Wenn du verstehst, dass die Existenz von selbst geschieht und nichts tut, dann wirst du das Antreiben, wenn es in dir angelegt ist, akzeptieren. Es kommt also nicht darauf an, es zu unterbinden – denn das wäre wieder ein Tun. Du verstehst lediglich, dass alles von selbst passiert, während du anders gestrickt bist und dich immerzu antreiben, zwingen musst. Dann kannst du das durchaus akzeptieren und während du akzeptierst, verschwindet die Spannung. 

Bei ein paar anderen mag das Antreiben verschwinden – falls es nicht in ihnen angelegt ist, falls sie jemand anderem nacheifern, sich mit jemandem messen und sie nur deswegen mitmachen, weil alle anderen antreiben. Oder es mag aufhören, da du erkennst, dass alles von selber geschieht und du dich nicht sonderlich darum zu bemühen brauchst: Du kannst in aller Stille genießen, wie sich alles von selbst abspielt. Du kannst völlig unaufgeregt alles Mögliche beisteuern, was deiner Natur entspricht – aber nicht mehr als das.  
Jeder Einzelne wird also damit seine eigene Erfahrung machen, aufgrund derselben Erkenntnis. Wenn du die Anlage hast, anzutreiben, dann ist nichts daran verkehrt. Genieße es, treibe so viel an, wie du kannst – aber mit einem Lied und mit einem Tanz und ohne dir darüber Gedanken zu machen, dass du antreibst. So bist du halt. Das ist dein Gras, und auf die Art und Weise wächst es. Es gibt solche und solche Gräser. Nur eines musst du dir merken: dass du alles, was du nur tust, mit frohem Herzen tust, jubelnd tust – das reicht. Verschiedene Leute werden Verschiedenes tun und die Welt hat es nötig, dass verschiedene Leute Verschiedenes tun sollten. Das macht den Reichtum der Welt aus, dass nicht alle gleich sind und auch nicht gleich sein sollten. Nur darin sollten sie zusammenkommen, und zwar im kosmischen Mittelpunkt des Entspanntseins. 

In Japan hat man sich seltsame Dinge zu meditativen Zwecken einfallen lassen. Japan hat der Menschheit gewaltige Dienste erwiesen. Das Meditieren wurde in Indien entwickelt, blieb dort aber etwas sehr Engstirniges – einfach nur dazusitzen in Lotusstellung und Zeuge seiner Gedanken zu werden, still zu werden. Das funktionierte zwar, aber Japan probierte neue Dimensionen, seltsame Dimensionen aus: Schwertkunst, aber mit Meditation!

Zwei Männer mit dem Schwert in der Hand, darauf erpicht, einander zu töten, müssen in sich selber ruhen bleiben, ohne Anspannung, ohne Angst, ohne Rachegelüste, ganz spielerisch. Für den, der sie sieht, ist es eine Frage auf Leben und Tod, aber für diese zwei Meditierer ist es Verspieltheit. Und immer wieder konnte man etwas Merkwürdiges beobachten: Wenn beide Meditierer gleich tief in Meditation gehen, gewinnt keiner, wird keiner getötet. Noch ehe der eine das Schwert zum Todesstoß erhebt – selbst bevor er ihn ausgeführt hat! – hat der bloße Gedanke bereits den andern erreicht und sein Schwert ist bereit ihn zu schützen. So lässt sich unmöglich der Sieger ausmachen. 
Man fragt sich: Was hat Schwertkunst mit Meditation, Aikido mit Meditation, Jiujitsu mit Meditation, Ringen mit Meditation zu tun? Aber in Japan hat man alles Mögliche versucht, und man hat entdeckt, dass es nicht darauf ankommt, was man tut, sondern darauf, ob man dabei in sich selbst ruht.  

Wer in sich selbst ruht, bringt alles fertig ohne sich dabei zu verspannen – er wird durchweg entspannt bleiben.

Mach dir also wegen dem Antreiben keine Gedanken. Versuch einfach nur zu verstehen, wie klein wir sind im Vergleich mit diesem riesigen Universum: Was wir tun oder nicht tun ist der Existenz völlig egal. Wir brauchen das also nicht so ernst zu nehmen. Die Existenz kam auch schon ohne mich klar. Wenn ich fort bin, wird sie auch weiterhin ohne mich klarkommen. Ich sollte mich nicht ernst nehmen. Das ist eine Grunderkenntnis für einen Meditierer – sich selbst nicht ernst zu nehmen. Dann entspannt er sich automatisch. Und in dieser Entspanntheit geht alles weiter, was dir natürlich ist – und alles Unnatürliche fällt von selbst ab.”


Aus: Beyond Psychology (Jenseits von Psychologie)

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