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Diskurse

Keine faulen Ausreden mehr!

von Osho

Frage an Osho

Osho, in unserem heutigen industriellen Zeitalter, das bestimmt ist von Geschwindigkeit, Hetze, Aktivität und Spannungen, fühlt sich der moderne Mensch völlig erschöpft, wenn er seine Tagesarbeit getan hat. In so einer Situation findet er nur mit Schwierigkeiten zu innerer Stille und Ruhe. Kannst du bitte die Gründe erklären – und wo es lang geht?
 

Osho

So sieht es zwar aus, aber so ist es nicht. Im Gegenteil: Es ist genau umgekehrt. Ihr seid nicht deshalb erschöpft, weil ihr in diesem Industriezeitalter lebt und zu viel Arbeit und Druck habt. Ihr seid erschöpft, weil ihr den Kontakt zu eurer inneren Stille verloren habt. Nicht die Arbeit ist euer Problem – ihr seid das Problem. Auch das Zeitalter ist nicht das Problem – ihr seid das Problem.

Redet euch nicht immerzu ein, die Arbeitslast des modernen Menschen sei gewachsen – die Last ist geringer. Die Last eines primitiven Menschen ist größer. Das Maschinenzeitalter, die Industrialisierung – das alles hilft euch Zeit zu sparen, das läuft auf Zeitersparnis hinaus und es hat schon viel Zeit gespart.

Aber da ihr jetzt Zeit und keine Ruhe habt, da ihr jetzt Zeit habt und nichts damit anfangen könnt, bekommt ihr Probleme. Die Probleme eines Primitiven sind nicht deshalb geringer, weil er still und ruhig wäre, sondern weil er keine Zeit hat, nicht genug Zeit hat, um sich Probleme zu machen. Ihr habt mehr Zeit, aber ihr wisst nicht, was ihr anfangen sollt.

Diese Zeit kann zu einer Reise ins Innere genutzt werden. Und falls der Mensch sie nicht für diese Wende nach innen zu nutzen vermag, ist er geliefert. Dann wird es aussichtslos; denn in Zukunft wird mehr und mehr Zeit eingespart werden. Bald wird die gesamte Welt von Automaten geregelt werden. Ihr werdet Zeit haben und werdet nicht wissen, was ihr damit machen sollt. Und dann wird sich der Mensch zum ersten Male in der Geschichte die Utopie erfüllt haben, nach der er sich von jeher gesehnt, die er immer herbeigewünscht hat. Nur wird er nun keine Ahnung mehr haben, was er damit anfangen soll.

Ihr habt mehr Zeit zur Verfügung als jedes frühere Zeitalter und nicht eure Arbeit ist es, was euch erschöpft. Ihr seid erschöpft, weil ihr den Kontakt zu eurem Inneren verloren habt – weil ihr nicht wisst, wie ihr in die Tiefe eures Innern gehen und dort neue Lebensgeister schöpfen könnt. Ihr könnt nicht einmal mehr schlafen! Das war früher das natürliche Mittel, um nach innen zu gehen. Danach fühlte man sich am Morgen immer erfrischt, verjüngt, erquickt. Aber heute haben wir die Gabe des Schlafes verloren – und wir haben sie verloren dank der maschinellen Revolution, weil unser Körper heute nicht mehr zum Arbeiten gezwungen wird. Dank weniger Arbeit seid ihr weniger erschöpft und dank weniger Anstrengung könnt ihr nicht schlafen.

Auf dem Lande schläft man auch heute noch tief, denn der Körper ist so erschöpft, dass man in einen tiefen Schlaf fällt. Euer Körper ist nicht erschöpft; darum wälzt ihr euch in eurem Bett herum. An die Stelle der Schwerarbeit sind Maschinen getreten, also seid ihr weniger erschöpft – denkt daran. Und dann könnt ihr nicht schlafen und dadurch ist euch sogar eure natürliche Quelle innerer Erquickung abhanden gekommen. Am Morgen seid ihr erschöpfter als am Abend, und nun soll der ganze Tag wieder von vorne losgehen?! – da werdet ihr sofort wieder müde.

Ihr führt ein Leben der Erschöpfung. Ihr seid nicht nur abends erschöpft, ihr seid schon morgens erschöpft. Was ist passiert? Der Mensch braucht ständigen Kontakt zu seiner inneren Quelle.

Frag mich also bitte nicht, wie ein erschöpfter Mensch meditieren könne. Das ist, als würdest du mich fragen, wie ein kranker Mensch, ein Patient Arznei einnehmen könne.

Er braucht sie und nur er braucht sie.

Ihr seid erschöpft, also wird Meditation eure Arznei sein. Und sagt nicht, ihr hättet dazu keine Zeit. Ihr habt so viel Zeit, dass ihr nicht wisst wohin damit. Jeder vertut Unmengen Zeit, auf jede erdenkliche Art und Weise. Die Leute spielen Karten. Wenn man sie fragt warum, werden sie sagen: „Wir schlagen nur die Zeit tot.“ Die Kinos sind brechend voll. Was machen die Leute dort? Sie schlagen die Zeit tot! Sie gehen zum Club ins Hotel. Was machen sie dort? Sie schlagen die Zeit tot!

Aber ihr kriegt die Zeit nicht tot. Wohl aber kriegt die Zeit euch! Niemand leidet heute also unter Zeitmangel. Und glaubt ja nicht, es gäbe nur eine begrenzte Zeitmenge. Glaubt ja nicht, dass jeder Tag aus 24 Stunden bestünde – nein! Es kommt ganz auf dich selbst an. Es kommt auf dich selbst an, wie viele Stunden du in ihm unterbringst. Das ist das Ausschlaggebende.

Der amerikanische Philosoph Emerson wurde einmal gefragt: „Was ist Ihr Alter?“ Er sagte: „360 Jahre.“ Das war nicht zu glauben. Also wiederholte der Fragesteller: „Verzeihen Sie, Sie müssen mich missverstanden haben. Sagen Sie bitte noch einmal – wie viele Jahre?“

Laut und deutlich wiederholte Emerson: „360 Jahre.“

„Aber“, sagte der Mann, „das ist nicht zu glauben! Das ist unmöglich. Sie sind doch kaum älter als 60!“ Emerson erwiderte: „Das stimmt, Sie haben Recht. Mein tatsächliches Alter ist 60, aber ich habe sechsmal so viel gelebt wie Sie. Ich habe meine 60 Jahre so genutzt, dass daraus 360 Jahre geworden sind.“

Der Fragesteller war etwa 50 und Emerson sagte: „Wenn Sie mir sagen, dass Sie 50 sind, haben wir wieder dasselbe Problem: Ich kann das nämlich nicht glauben, denn Sie kommen mir nicht älter als 30 vor. Offenbar haben Sie Ihr Leben einfach nur verplempert, Sie haben überhaupt nicht gelebt.“

Zeitverplempern ist das Eine, Leben steht auf einem ganz anderen Blatt. Ein „Tag“ ist also keine vorgegebene Größe. In den Händen eines Buddhas wird ein ganzes Leben daraus. Es kommt also nicht auf das „Wie viel“ an – es kommt letztlich darauf an, wie viel man in ihn hineinlegt.

Der Mensch ist ein Schöpfer. Indem wir leben, erschaffen wir unsere Zeit, erschaffen wir unseren Raum, erschaffen wir unser Umfeld. Ganz gleich also, was deine Stellung im Leben ist und was deine Arbeit ist und was deine äußere Lage ist: Keine faulen Ausreden – meditieren kannst du trotzdem. Und zum Meditieren gehört keine Zeit. Zum Meditieren gehört tiefe Einsicht, keine Zeit.

Und Meditation steht auch nicht im Widerspruch zu anderen Dingen. Wenn du zum Beispiel isst, dann iss mit Bewusstheit. Dazu brauchst du keine zusätzliche Zeit. Dann wirst du im Gegenteil Zeit sparen, denn dann wirst du weniger essen – mit Bewusstheit wirst du weniger essen. Mit Bewusstheit wirst du effizienter werden. Du wirst Zeit sparen. Mit Bewusstheit wirst du weniger Energie verlieren, wirst du weniger Zeit vertun. Und selbst nach all deiner Tagesarbeit wirst du noch so frisch sein wie am Morgen – weil es nicht deine Arbeit ist, was dich erschöpft, sondern deine Einstellung.

Der Fußweg zu deinem Büro misst drei Kilometer. Du gehst ins Büro und schon bist du erschöpft. Aber wenn gerade Sonntag ist und du nur mal zum Vergnügen zu deinem Büro und zurück spazierst, dann macht es nur Spaß und wird dich nicht im Geringsten erschöpfen. Was immer du als Arbeit machst, wird dich erschöpfen. Wenn du dasselbe aus Spaß machst, wird es dich erquicken. Es liegt also nicht an der Arbeit, sondern an der Einstellung. Wer geistig in Meditation lebt, macht jegliche Arbeit zum Spiel und wer geistig unmeditativ ist, macht selbst Spiel noch zu Arbeit.

Seht euch doch die Leute beim Kartenspiel an: Sie sind verspannt, sie „spielen“ nicht Karten, sondern haben selbst das noch zu Arbeit gemacht. Jetzt geht es um Leben und Tod. Das ist doch kein Spiel! Wenn sie verlieren, werden sie nachts kein Auge zu machen, und selbst wenn sie gewinnen, werden sie nachts nicht schlafen können. So oder so werden sie erschöpft sein. Es ist kein Spiel, es erfrischt sie nicht. Es erschöpft sie nur.

Seht euch dagegen Kinder an. Sie leisten mehr Arbeit als ihr, aber sie sind niemals erschöpft. Sie sprudeln immer über vor Energie. Warum? Weil alles nur Spiel ist. Und dank der Industrialisierung und früher oder später dank der totalen Automatisierung wird der Mensch bald nur noch eine einzige Domäne für sich behalten – nämlich die Domäne des Spielens. Arbeit wird dann überflüssig sein und all die schönen alten Lehrsätze von wegen „Arbeit ist göttlich“, „Arbeit ist deine Pflicht und Schuldigkeit“ und „Du musst dein Brot im Schweiße deines Angesichts essen“ gelten dann nicht mehr; sie werden allesamt absurd klingen.

Muße, Vergnügen, Spaß und Unterhaltung, Feiern und Spielen werden die Schlüsselbegriffe der Zukunft sein. Der Ernst wird als Krankhaftigkeit und Verspieltheit als Zeichen geistiger Gesundheit angesehen werden. Es wird immer mehr Zeit eingespart werden und selbst die alten Menschen werden wie spielende Kinder sein müssen. Nur so werden sie überhaupt noch weiterleben können; andernfalls werden sie Selbstmord begehen.

Die gesamte Menschheitsgeschichte war bisher aufs Arbeiten ausgerichtet. Von jetzt an wird sie aufs Spielen ausgerichtet sein. Und Meditation verhilft euch zu einer neuen Kindheit, einer neuen Unschuld, einer neuen Lebensfeier. Dann wird das ganze Leben ein einziges Fest und keine Arbeit mehr sein.

Keine faulen Ausreden also. Eure Ausreden mögen vernünftig klingen, aber sie sind gefährlich. Und Meditation steht in keinem Widerspruch – zu was auch immer. Gehst du ins Büro, dann geh meditativ. Machst du deine Arbeit im Büro, dann mache sie meditativ, mache sie entspannt. Dann wirst du nicht erschöpft sein. Nimm alles als Spiel und du wirst nicht erschöpft sein. Im Gegenteil, dann wird sogar deine Arbeit zu Vergnügen.

Meditation beschert dir eine neue geistige Qualität, also ist es irrelevant, ob du Zeit dafür hast oder nicht. Was ich hier sage, heißt ja nicht, dass du drei Stunden am Tag „meditieren sollst“, dass du drei Stunden pro Tag fürs Meditieren reservieren sollst – nein! Wenn du es so einrichten kannst – wunderbar. Wenn nicht, rede dich nicht heraus. Dann versuch es halt mit einer Kehrwende und verwandle deine Arbeit in einen meditativen Akt.

Wenn du etwas schreibst, dann schreibe mit voller Bewusstheit. Wenn du ein Erdloch aushebst, tu es mit voller Bewusstheit. Ob du nun auf der Straße arbeitest oder im Büro oder auf dem Markt – tu’s mit voller Bewusstheit.

Bleibe stets in der Gegenwart und du wirst staunen: Du wirst nicht erschöpft sein. Du wirst mehr Zeit, mehr Energie, weniger Ablenkung haben. Und letzten Endes wird dann dein Leben zu reinem Spiel werden.

The Ultimate Alchemy, Band 2, Kapitel 10

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