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Diskurse

Alles beruht auf Liebe

von Osho

Frage an Osho

Viele deiner Schüler scheinen einen Lebensgefährten gefunden zu haben. Steht das nicht im Widerspruch zu dem, was du über Liebe, Beziehung und Loslassen gesagt hast?

Osho

Das ist kein Widerspruch, sondern absolut folgerichtig. Wenn ich sage, dass deine Liebe ein Loslassen sein sollte, meine ich damit, dass sie nicht etwas Erzwungenes sein darf, d.h. nicht etwas, das auf Gesetze, auf gesellschaftliche Konventionen angewiesen ist. Damit meine ich, dass die einzig bindende Kraft zwischen zwei Liebenden einfach nur die Liebe ist und sonst nichts. Diese Liebe mag lange währen – oder auch nicht. Diese Liebe mag das ganze Leben anhalten; diese Liebe mag Morgen zu Ende sein. Das ist es, was ich mit „Loslassen“ meine. 

Es gibt Leute, die sich gehen lassen wollen. Das ist es nicht, was ich mit Loslassen meine. Ich will damit nicht sagen, dass ihr jeden Tag eure Partner wechseln sollt. Das wäre wiederum erzwungen. Das hieße, von dem einen Extrem der Ehe, wo man den Partner nicht wechseln darf, ins entgegengesetzte Extrem fällt, wo man seinen Partner zu wechseln hat. 
Was ich gesagt habe, ist: Lasst es aus freien Stücken geschehen. Wenn ihr zusammen sein wollt, ist das ganz wunderbar; sobald ihr euch verabschieden wollt, tut es liebevoll, mit gegenseitiger Dankbarkeit für all jene herrlichen Augenblicke, die ihr einander geschenkt habt.  

Euer Abschied sollte so schön sein wie eure Begegnung. Ja, er sollte sogar noch schöner sein, weil ihr so lange zusammengelebt habt, Wurzeln ineinander geschlagen habt, auch wenn ihr euch nunmehr trennen wollt. Aber die Erinnerungen werden euch verfolgen. Ihr habt einander geliebt. Mag ja sein, dass ihr jetzt das Gefühl habt, euer Zusammensein sei schwierig geworden – es gab eine Zeit, da ihr ganze Leben zusammen verbringen wolltet. Geht also ohne Konflikte, ohne Streit auseinander – ihr wart zwei Fremde, die sich getroffen haben. Jetzt werdet ihr zwar wieder zu Fremden, aber mit einem großen Schatz, der sich zwischen euch beiden angesammelt hat. Ihr müsst im Scheiden einander dankbar sein. 

Aber wenn die Liebe weitergeht, habe ich nie gesagt, dass ihr sie zerbrechen sollt. Ich habe nur gesagt, dass ihr nichts gegen sie tun dürft. Wenn sie euer ganzes Leben währt, bis ans Grab, ist auch das gut. Und wenn sie nur eine Nacht währt und ihr am Morgen das Gefühl habt, nicht füreinander geschaffen zu sein, habt ihr einander immerhin eine schöne Nacht beschert, für die ihr dankbar sein müsst.

Der Fragesteller hat mich missverstanden. Der Fragesteller meint, ich würde meinen Leuten vorschreiben: „Wechselt eure Partner so schnell wie möglich!“ Das ist nicht, was ich sage. Ich will nur sagen: Bleibt solange zusammen, wie eure Liebe das einzige Bindende ist. Sobald euch beide das Gefühl beschleicht, dass da etwas vergangen ist, dass es nicht mehr aktuell ist … ihr schleppt euch dahin, aber ihr macht euch letztlich nur etwas vor. Es ist abstoßend, einen Mann zu betrügen, den du geliebt hast; es ist abstoßend, eine Frau zu betrügen, die du geliebt hast. Es ist besser ehrlich zu sagen: „Jetzt wird es Zeit, dass wir uns trennen, denn die Liebe ist fort und wir die Liebe ist nicht zu halten.“

Es gibt Dinge, die von sich auskommen und gehen. Als du dich in jemanden verliebt hast, hattest du das nicht in der Hand – war es nicht deine Entscheidung. Aus blauem Himmel ist es passiert; du hättest nicht sagen können, warum es passierte. Du kannst nur sagen: „Sieh an – ich bin verliebt!“ Denk nur zurück an eure erste Begegnung und erinnere dich auch, wie die Liebe kommt: ganz genauso geht sie wieder. Eines Morgens wachst du auf und siehst, dass die Liebe fort ist. Dein Mann ist da, du bist da, aber ein gewisses Etwas, das zwischen euch war, das euch verband, ist verschwunden. Ihr seid zwei, aber du bist allein und der andere ist allein. Jenes „Zusammen“ ist nicht mehr da, und das Mysterium, das es zusammenhielt, habt ihr nicht in der Hand. Ihr könnt es nicht zwingen zurückzukommen.
Millionen von Paaren versuchen das – in der Hoffnung, dass es vielleicht zurückkommen wird, in der Hoffnung, dass vielleicht Beten helfen mag, zur Kirche gehen helfen mag, irgendjemandes Segen helfen mag, irgendein Eheberater helfen mag, aber nichts wird mehr helfen.

Selbst wenn ihr das, was mal war, irgendwie wieder einfangen könnt, wirst du sehen, dass er nicht mehr derselbe Mann ist und wird er sehen, dass du nicht mehr dieselbe Frau bist. Da ist es besser wieder zu Fremden zu werden. Was ist verkehrt daran? Früher, als ihr euch fremd wart, war auch nichts verkehrt. Früher, als du die Frau noch nicht kanntest, den Mann noch nicht kanntest, war alles gut. Jetzt ist es wieder soweit, seid ihr wiederum Fremde. Nichts Neues ist passiert. Ihr hättet euch von vornherein klar machen sollen, dass etwas Geheimnisvolles hinzukam. Ihr habt es nicht reingeholt – natürlich kann es jederzeit wieder gehen und ihr könnt es nicht zurückhalten.

Um also zum Schluss zu kommen: Alles beruht auf Liebe. Wenn sie lange bleibt, gut. Wenn sie nur auf ein paar Augenblicke bleibt, ist das ebenfalls gut, denn Liebe ist gut. Die Länge spielt keine Bedeutung. Es ist möglich, in ein paar Minuten mehr Intensität zu erleben als in ein paar Jahren. Und diese Intensität wird euch etwas Unbekanntes bescheren, was in so-und so-vielen Jahren einfach verwässert wird. Also spielt die Länge keine Rolle, sondern die Tiefe ist das einzig Beachtenswerte.
Während eure Liebe da ist, taucht ganz in sie ein. Und wenn sie fort ist, sagt Adieu und macht restlos Schluss. Trauert ihr nicht nach. Es gibt noch genug Fremde auf der Welt – wer weiß? Die Liebe hat euch einfach nur deshalb verlassen, damit ihr einen besseren Fremden finden könnt.

Das Leben geht seltsame Wege. Vertraut ihm. Ihr mögt jemanden finden, der sich als eine gewaltige Liebe entpuppt und dann werdet ihr sehen, dass eure erste Liebe nichts war im Vergleich dazu. Und vergesst nicht: Eines Tages wird auch diese Liebe vorbei sein. Aber vertraut dem Leben, das euch immer wieder mit ungebetenen Gaben überschüttet hat. Bleibt offen.
Die Welt ist so voll von schönen Menschen, es herrscht kein Mangel. Und jeder Einzelne hat etwas Einmaliges, das niemand sonst hat. Und jeder Einzelne verleiht seiner Liebe eine bestimmte Farbe, Poesie, Musik, die die seine ist, und die keiner sonst machen kann.
Wenn wir also dem Leben vertrauen – und das ist meine Grundbedingung: dem Leben zu vertrauen, weil wir aus dem Leben geboren werden, weil wir Kinder des Lebens sind.

Vertraut dem Leben. Das Leben hat noch nie irgendwen betrogen. Vielleicht habt ihr die eine Klasse bestanden und müsst nun die zweite Klasse bestehen, bestimmt von etwas Höherem – einer zarteren Liebe, etwas Raffinierterem – wer will das wissen? Behalte einfach nur ein offenes Herz und das Leben enttäuscht nie jemanden. Also ist da kein Widerspruch drin.

 

The Sword and the Lotus

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