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Diskurse

Positive Männlichkeit & positive Weiblichkeit

Von Osho

Als du heute mit dem Finger auf den Mond zeigtest, sagtest du: „Männer müssen maskuliner werden.“ Wie hast du das gemeint?

Osho: Männlichkeit kann zwei Richtungen haben, genau wie Weiblichkeit zwei Richtungen haben kann. Der männliche Geist kann aggresiv, brutal, destruktiv sein – das ist die eine Alternative. Die Männer haben es damit versucht, und die Menschheit hat sehr darunter gelitten. Und wenn Männer es mit dieser negativen Seite der Männlichkeit halten, ziehen sich Frauen natürlich auf die negative Weiblichkeit zurück, nur um mit den Männern zusammenzubleiben. Sonst würde der Riss zu groß, unüberbrückbar. Wenn das Weibliche negativ ist, wird es untätig, lethargisch, gleichgültig. Der negative Mann kann nur Zugang zu einer negativen Frau haben.

Doch gibt es auch eine positive Seite. Nichts kann nur negativ sein; jede Negativität hat auch eine positive Seite. Jede Wolke hat einen silbernen Rand, und auf jede Nacht folgt eine Morgendämmerung.

Positive Männlichkeit ist Initiative, Kreativität, Abenteuer. Das sind dieselben Eigenschaften, nur auf einer anderen Ebene. Die negative Männlichkeit wird destruktiv, die positive Männlichkeit wird kreativ. Destruktivität und Kreativität sind nicht zweierlei, sondern zwei Seiten ein und derselben Energie. Dieselbe Energie kann aggressiv werden und dieselbe Energie kann initiativ werden.

Wenn Aggression initiativ ist, hat sie ihre ganz eigene Schönheit. Wenn aus Gewalt Abenteuerdrang wird, wenn aus Gewalt Forscherdrang wird, zur Erforschung des Neuen, des Unbekannten, ist sie ungeheuer segensreich.

Und dasselbe gilt für das Weibliche. Untätigkeit ist negativ, Empfänglichkeit ist positiv. Alle beide ähneln sich, sie wirken fast austauschbar. Man braucht Adleraugen, um den Unterschied zwischen dem Untätigen und dem Empfänglichen zu erkennen. Das Empfängliche heißt willkommen, es ist eine Erwartung, es birgt eine gewisse Andacht in sich. Empfänglichkeit ist ein Gastgeber, Empfänglichkeit ist ein Mutterschoß. Untätigkeit ist einfach nur Stumpfheit, Tod, Hoffnungslosigkeit. Da gibt es auf nichts zu warten, nichts zu erwarten, es wird nie etwas geschehen. Man lässt sich in eine Lethargie fallen, in eine Art Gleichgültigkeit. Und Gleichgültigkeit und Lethargie sind Gifte.

Aber genau das, was zu Gleichgültigkeit führt, kann auch zu Losgelöstheit führen, und dann schmeckt es vollkommen anders. Gleichgültigkeit wirkt wie Losgelöstheit, ist aber keine; Gleichgültigkeit ist lediglich Interesselosigkeit. Losgelöstheit ist kein Mangel an Interesse – sie ist absolut interessiert, enorm interessiert, besitzt aber die Fähigkeit sich nicht anzuklammern: „Genieße den Augenblick, solange er währt, und wenn er zu verschwinden beginnt, so wie ja alles verschwinden muss, lass es los.“ Das ist Losgelöstheit.

Lethargie ist ein negativer Zustand. Man ist einfach nur ein rumliegender Schlammkloß – keine Möglichkeit zu wachsen, kein Überschwang, kein Erblühen. Aber dieselbe Energie kann zu einem Stausee, einem großen Energievorrat werden – der nirgendwo hinwill, nichts tut, der aber ununterbrochen immer mehr Energie ansammelt.

Und den Wissenschaftlern zufolge wird an einem bestimmten Punkt aus dem quantitativen Zuwachs eine qualitative Veränderung. Bei hundert Grad Hitze verdampft Wasser. Bei neunundneunzig Grad ist es noch nicht so weit, verdampft es noch nicht. Einfach nur nullkommaein Grad mehr, und das Wasser macht einen Quantensprung!

Positive Weiblichkeit hat nichts von Lethargie, sondern gleicht einem enormen Energiespeicher. Und während sie immer mehr Energie ansammelt und speichert, geht sie durch viele qualitative Veränderungen.

Ein Mann, um wirklich männlich zu sein, muss wagemutig sein, muss kreativ sein, und muss so oft wie möglich im Leben die Initiative ergreifen können. Eine Frau, um wirklich weiblich zu sein, muss ein Energiespeicher hinter dem Mann sein, um sein Abenteuer mit so viel Energie versorgen zu können wie möglich. Es gehört Energie dazu, dem Abenteuer Inspiration zu verleihen, es gehört Energie dazu, dem Abenteuer Poesie zu verleihen, damit sich die Abenteuerseele in der Frau entspannen kann und mit neuem Leben erfüllt, verjüngt wird.

Mann und Frau, zusammen genommen, positiv fortschreitend, bilden ein Ganzes. Und das wirkliche Paar – und es gibt nur ganz wenige wirkliche Paare – ist eines, in dem sich jeder auf auf positive Art und Weise mit dem andern verbunden hat. Neunundneunzig Prozent aller Paare haben sich auf eine negative Art und Weise miteinander verbunden – das ist der Grund, warum es so viel Unglück auf der Welt gibt.

Ich wiederhole noch einmal: Der Mann muss maskulin sein und die Frau muss feminin sein, aber im positiven Sinne. Dann ist ihr Zusammensein eine Meditation, dann ist ihr Zusammensein wirklich ein großes Abenteuer. Dann bringt ihr Zusammensein jeden Tag neue Überraschungen. Dann ist das Leben ein Tanz zwischen diesen beiden Polen – und dann helfen sie einander, nähren sie einander.

Auf sich gestellt, kann der Mann nicht sehr weit kommen. Auf sich gestellt, wird die Frau nur ein Reservoir von Energie sein, ohne jede Möglichkeit zu einer dynamischen Bewegung. Wenn beide zusammen sind, sind sie komplementär. Keiner steht über dem andern; Komplemente stehen weder höher noch niedriger, Komplemente sind gleichberechtigt. Weder der Mann noch die Frau steht höher, sie ergänzen einander. Zusammen bilden sie ein Ganzes, und zusammen können sie eine Heiligkeit erzeugen, die keinem von beiden für sich allein möglich ist.

Aus diesem Grund wirken Jesus oder Buddha ein wenig ärmer als Krishna, und das liegt daran, dass sie alleinstehend sind. Krishna ist umfassender. Darum gilt Krishna in Indien als der vollkommenste Avatar, die vollkommenste Inkarnation Gottes. Buddha gilt als einseitig, genauso wie Mahavira als einseitige Manifestation Gottes gilt, und Jesus nicht anders. Krishna hat etwas Allumfassendes an sich.

Und noch etwas. Ginge es nur um die äußere Vereinigung von Mann und Frau, wäre das weniger wichtig gewesen. Es kommt aber darauf an, dass eine Vereinigung zutiefst im Innersten jedes Mannes und jeder Frau stattfindet, da jeder Mann im Kern auch eine Frau ist und jede Frau im Kern auch ein Mann ist. Die äußere Vereinigung und Verschmelzung ist in Wirklichkeit eine Lektion, ein Experiment, das euch auf die innere Vereinigung vorbereiten soll.

Jeder Mann wird von einem Mann und einer Frau gezeugt. Die eine Hälfte von dir kommt von deinem Vater und die andere Hälfte von dir kommt von deiner Mutter. Du bist eine Begegnung polarer Gegensätze.

Die moderne Psychologie, vor allem die Jungsche Richtung, akzeptiert dies, geht davon aus, dass der Mann bisexuell ist, ebenso wie die Frau. Wenn du ein männliches Bewusstes hast, dann hast du ein weibliches Unbewusstes, und umgekehrt.

Aber die innere Vereinigung hinzubekommen, ist anfangs schwierig, und zwar weil das Innere unsichtbar ist. Erst musst du die Lektion mit dem Sichtbaren lernen. Vereinige dich mit der äußeren Frau, vereinige dich mit dem äußeren Mann, damit du ein paar Erfahrungen damit sammeln kannst, worum es bei dieser Vereinigung überhaupt geht. Danach kannst du ganz allmählich damit anfangen, im Innern zu suchen und deinen Gegensatz dort ausfindig machen.

Am selben Tage, da Mann und Frau in deinem Innern eins werden, bist du erleuchtet.

Das ist großer Freudenstag, nicht nur für dich, sondern für die gesamte Existenz. Ein Mensch ist nach Hause gekommen. Von vielen, vielen Millionen hat es einer geschafft.

Es wird berichtet, dass es bei Buddhas Erleuchtung Blumen vom Himmel geregnet habe. Dies sind keine historischen Tatsachen, sondern poetische Ausdrucksmöglichkeiten, aber von enormer Tragweite. Die ganze Existenz muss getanzt haben, muss gesungen haben, muss Millionen von Blumen geregnet haben – denn so etwas kommt nur ganz selten vor. Eine im Dunkeln tastende Seele ist plötzlich eins geworden, eine zersplitterte Seele hat sich kristallisiert. Ein Mensch ist Gott geworden: Das muss gefeiert werden! Das gereicht der ganzen Existenz zum Segen.

Doch vergiss nicht: Die erste Lektion muss draußen gelernt werden. Solange ihr die Frau noch nicht auf der äußeren Ebene kennen gelernt habt, in all ihrem Reichtum, in all ihrer Süße und Bitterkeit; solange ihr den Mann noch nicht auf der äußeren Ebene kennen gelernt habt, in all seiner Schönheit, in all seiner Hässlichkeit, werdet ihr nicht in die innere Dimension eindringen können… werdet ihr nicht zulassen können, dass sich das Yin und Yang, Shiva und Shakti, in euch vereinigen.

Und diese Vereinigung ist von äußerster Wichtigkeit, von ultimativer Wichtigkeit, denn mit dieser Vereinigung werdet ihr zu einem Gott – niemals zuvor.

 

Aus: The Book of Wisdom, # 8

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